Zärtlicher Hinterhalt
Brust, gespannt, was folgen würde.
»Dougald, mein lieber junge, du siehst grauenhaft aus!« Tante Spring hörte sich betrübt an.
»Wirklich kein erfreulicher Anblick am Frühstückstisch«, tadelte Tante Isabel.
Tante Ethel hielt sich mit einer Hand die Augen zu. »Wenn ich Blut sehe, wird mir übel.«
Hannah hörte, wie Dougald schwer zu schnaufen anfing und die Mundwinkel verzog. Dougald von den zerbrechlichen alten Damen besiegt zu sehen war das pure Vergnügen.
»Verdammt«, murmelte Dougald und erhob sich. »Es war wirklich keine große Sache.«
Als Hannah sich wieder umdrehte, zwinkerte Tante Ethel ihr zu.
Dougald hinkte hinaus, doch dann fiel ihm etwas ins Auge. Er blieb stehen und stierte seinen Erben an. »Genau die gleiche diamantene Kragennadel habe ich auch.«
Seaton berührte die Nadel mit dem Finger. »Dann darf ich Ihnen zu Ihrem guten Geschmack gratulieren.«
Kopfschüttelnd ging Dougald weiter. »Fiesling«, hörte Hannah ihn murmeln.
Mrs. Trenchard folgte Hannah und dem Hausherrn. Ein Lakai beeilte sich, für Dougald einen Stuhl unter dem kleinen, runden Tisch vorzuziehen.
Er setzte sich ungelenk. »Das werde ich mir merken«, sagte er zu Hannah.
Trenchard stellte Verbandszeug, Salbe und eine dampfende Tasse auf dem Tisch ab. »Ihre heiße Schokolade, Miss Setterington.«
»Danke, Mrs. Trenchard. Lord Raeburn, Sie müssen sich sicherlich vieles merken.« Hannah schob ihren Teller in die Nähe seiner rechten Hand. Wenn sie während der vielen Jahre, die sie sich um Kranke gekümmert hatte, eines gelernt hatte, dann, dass die meisten erst auf dem Sterbebett liegen mussten, bevor sie über etwas Essbares die Nase rümpfen. »Genau wie ich.«
Mit dem Lakaien an der Tür und Mrs. Trenchard, die um Hannah herumschlich, um ihr behilflich zu sein, steckten sie in einer wahren Zwickmühle.
Dougald zeigte ärgerlich die Zähne.
»Sie
sollten etwas essen.
Sie
sind jetzt schon zu dünn.«
»Vielen Dank, Mylord, für diese schmeichelhafte Beobachtung. Aber Ihre Verfassung könnte auch besser sein.«
Er lachte derb und hörte gleich wieder auf, weil seine Lippe schmerzte. »Biest«, lobte er.
»Essen Sie jetzt, dann ist Ihr Mund wenigstens beschäftigt.« Sie strich sein Haar glatt.
Als hätte sie ihn mit ihrer Berührung versengt, fuhr er zurück. »Seit wann verstehst du denn etwas von Krankenpflege?«
»Ich habe eine Menge gelernt, als ich Lady Temperly gepflegt habe, und noch mehr, als ich die Vornehme Akademie der Gouvernanten leitete.« Sie bewegte die Hand langsam auf sein Kinn zu. Als er sie gewähren ließ, hob sie sein Gesicht und begutachtete es. »Achtzehnjährige Mädchen geraten ständig in irgendwelche Kalamitäten, und wenn der Schaden angerichtet ist, muss irgendwer die Wunden bandagieren.«
»Du musst es geliebt haben, diese Akademie zu leiten. All die Mädchen, die auf dein Kommando gehört haben. Du hast dir wahrscheinlich vorgestellt, sie seien deine Kinder.« Er machte eine Pause. »Das muss fast so gut gewesen sein wie eine eigene Familie.«
Am liebsten hätte sie ihm mit einer Ohrfeige geantwortet; aber sein Gesicht war übler zugerichtet, als sie anfangs gedacht hatte. Als sie mit der Hand seine Kopfhaut abtastete, entdeckte sie am Hinterkopf zwei weitere ansehnliche Schwellungen. Sie hatten ihn ordentlich vermöbelt.
Was ihr im Augenblick nur Recht war. »Sie sind wirklich ein Schläger«, sagte sie ganz nebenbei.
Mrs. Trenchard mahnte: »Miss Setterington!«
Hannah überhörte es. Mrs. Trenchard hatte im Krieg zwischen Dougald und ihr keinen Platz. »Mylord, tut Ihnen Ihr Kopf denn weh?«, fragte Hannah.
»Natürlich«, schnauzte er zurück.
»Und können Sie mit dem guten Auge klar sehen?«
Er starrte ihr anzüglich auf den Busen. »Ja. Und etwas recht Hübsches zudem.«
Mrs. Trenchard schnappte nach Luft. Sie war es offenkundig nicht gewohnt, dass der Hausherr den Frauen Komplimente bezüglich deren Busen machte.
Immer mehr freute Hannah sich.
»Er braucht einen kalten Wickel um den Kopf und ein kaltes Stück Rindfleisch aufs Auge«, erklärte sie der Haushälterin.
Mrs. Trenchard leitete die Instruktionen an den Lakaien weiter.
»Wie geht es ihm, Miss Setterington?« Tante Ethel beäugte den schwer angeschlagenen Dougald von der Türe aus.
»Es geht mir gut, Tante Ethel. Warum redet alles über mich, als sei ich taub? Und warum machen alle solch einen Wirbel um ein paar Kratzer? Ich bin wohlauf!«
»Sieht ganz so aus. Wer so mürrisch ist, der
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