Zärtlicher Hinterhalt
fest.
Miss Minnie setzte zu sprechen an, und Hannah hoffte einen Moment lang, die alte Dame würde dem Gespräch eine neue Wendung geben.
Es war ihr bestimmt, enttäuscht zu werden.
»Dougald scheint heute ebenfalls recht müde zu sein«, ließ Miss Minnie sich vernehmen. »Wir haben gestern bis spät in die Nacht über die Speisenfolge für den königlichen Empfang diskutiert. Vielleicht ist Miss Setterington ja auch Dougald sehr lange behilflich gewesen.«
Tante Spring setzte sich kerzengerade auf. »Ja!«
»Bestimmt!« Tante Isabel lächelte strahlend.
»Sehr rätselhaft«, wiederholte Tante Ethel.
Dougald kaute, schluckte und wischte sich mit der Serviette den Mund. Er schaute von seiner Position im Sessel des Hausherrn über den Tisch hinweg und sagte: »Ich kann aufrichtig behaupten, dass Miss Setterington und ich nicht zusammengearbeitet haben, um den Besuch der Königin vorzubereiten. Miss Setterington hat ihre Aufgaben, ich die meinen, und ich habe ohnehin kein Interesse, viel mit Miss Setterington zu tun zu haben.«
»Dougald, das klingt unhöflich«, tadelte Tante Spring.
»Sie haben die Gefühle dieses lieben Mädchens verletzt«, pflichtete Tante Ethel ihrer Freundin bei.
»Nein, hat er nicht«, versicherte Hannah.
Dougald warf ihr einen Blick zu, einen ziemlich heißblütigen, zornigen, leidenschaftlichen Blick, der Hannah verwirrte, ihr die Röte in die Wangen trieb und sie wünschen ließ, sie hätte das Frühstück überhaupt ausfallen lassen.
Dann wandte er sich wieder seinem Teller zu.
Seaton starrte böse auf Dougalds gesenktes Haupt. »Lord Raeburn ist unhöflich. Miss Setterington hat es nicht verdient, mit einem Barbaren frühstücken zu müssen.«
Dougald schaute grinsend auf. »Beziehungsweise mit einem Mörder.«
Mrs. Trenchard schnappte nach Luft.
Tante Isabel fragte: »Hat er jetzt gerade zugegeben, dass er seine Frau umgebracht hat?«
Hannah fixierte ihren Ehemann. Wenn er so lachte wie jetzt, zornig und hämisch, dann wusste sie wieder, weshalb sie ihn finsterer Motive verdächtigte. Wie er schon dasaß umgeben von den Insignien seines Reichtums und seiner Herkunft, die Augen grün leuchtend, die Zähne weiß blitzend, sah er aus wie ein rachsüchtiger Lehnsherr aus dem Mittelalter.
»Nein, Tante Isabel. Ich habe meine Frau nicht umgebracht.« Er würdigte Hannah keines Blickes, während er sprach. »Noch nicht.«
»Noch nicht?« Tante Isabels Stimme dröhnte lauter denn je. »Was meint er damit, noch nicht?«
»Noch nicht?« Nachdenklich strich sich Tante Minnie übers Kinn.
Dougald legte die Gabel weg und bedachte Tante Isabel mit einem boshaften Lächeln. »Überlegen Sie einmal. Wenn Sie wirklich glauben, dass ich meine Frau umgebracht habe, dann ist es doch wohl der Gipfel der Grausamkeit, mir Miss Setterington zum Fraße vorzuwerfen.«
Es war eine Sache, die Verkuppelungsversuche zu bemerken, aber eine ganz andere, offen darüber zu reden. Hannah wollte ihn verfluchen, sagte stattdessen aber: »Kommen Sie, Lord Raeburn, die Damen haben nichts Derartiges im Sinn.«
Niemand schenkte ihr auch nur die leiseste Aufmerksamkeit.
Tante Isabel machte den Mund auf und wieder zu. Dann stammelte sie: »Daran … daran habe ich … nie gedacht.« Ihre Stirn legte sich vom angestrengten Nachdenken in Falten.
Dougald schaute feixend den Tisch entlang und wartete.
»Ich gebe es ungern zu, aber da ist etwas dran. Vielleicht sollte ich besser zugeben, dass Sie Ihre Frau nicht getötet haben.« Tante Isabel seufzte. »Aber die Vorstellung war so aufregend und so romantisch.«
Sir Pippards Lächeln erlosch. »Mord ist nicht romantisch, sondern die Waffe eines schwachen Geists.«
Seaton erhob sich und pochte auf den Tisch. »Ich jedenfalls werde meine Meinung nicht ändern. Seine Lordschaft hat seine Gattin umgebracht!«
»Seaton, das sagen Sie doch nur, weil es solch eine gute Geschichte abgibt«, schalt Tante Ethel.
»Und was wäre daran verkehrt? Ein Klatschmaul ohne Geschichte ist schließlich kein Klatschmaul.« Seaton rückte seinen Stuhl, und sofort eilte ein Lakai herbei, das Sitzmöbel unter ihm wegzuziehen. »Ich bin unterwegs zu den Sheratons und bleibe über Nacht. Bis morgen, leben Sie wohl.« Er marschierte aufgebracht davon.
Dougald schaute ihm angelegentlich hinterher. »Die Waffe eines schwachen Geists«, wiederholte er.
Tante Spring kaute auf ihrem Daumennagel herum. »Aber Dougald, du hattest doch eine Frau. Wo steckt sie?«
»Das ist genau das
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