Zärtlicher Hinterhalt
Rätsel.« Kurz nickend fing er wieder zu essen an.
Am liebsten hätte Hannah ihre Stirn auf die Tischplatte sinken lassen. Warum machte Dougald diese aufrührerischen Bemerkungen? Warum gab er mit seinen Andeutungen so vieles preis? Wollte er sie und ihre Leidenschaftlichkeit verhöhnen?
Drohte er ihr schon wieder?
Sie wusste es nicht. Sie wusste überhaupt nichts, außer der Tatsache, dass sie ihm, obwohl sie nichts mehr wollte, als mit ihm zu schlafen, nicht traute. Wie auch? In den sechs Monaten, die sie als Mann und Frau zusammengelebt hatten, hatte Dougald sie zu tief verletzt.
Hannah stand vor dem Schreibtisch und bot dem Mann, mit dem sie seit fünf Monaten verheiratet war, die Stirn. »Seit deine Großmutter gestorben ist, gibt es für mich hier nichts mehr zu tun.«
Dougald lächelte. Er hatte seine Großmutter sehr geliebt. »Du hast wundervolle Arbeit geleistet. Sie hat mir gesagt, wie sehr sie deine Pflege schätzte. Und bestätigte bis zuletzt, wir hätten die richtige Frau ausgesucht.«
Die Worte trafen sie wie ein Schwerthieb in die Eingeweide. Immer deutlicher traten die Hintergründe ihrer Ehe zu Tage. Alles, was sie ihm während der Eisenbahnfahrt vorgehalten hatte, bewahrheitete sich. Dougalds Großmutter hatte Hannah für ihn ausgesucht. Und weil er auf seine Großmutter zu hören pflegte, hatte er sich Zeit und Mühen erspart. Weshalb er sich immer mehr seinen Geschäften zu widmen vermochte – was ihm etliche Vorteile und höhere Profite einbrachte.
»Ich vermisse Großmama immer noch.« Hannah sah gerade noch ein paar Krokodilstränen in seinen Augen glitzern, bevor er sich wieder über einen Stapel Unterlagen beugte. »Mit ihr konnte ich über alles sprechen. Sie war eine sehr kluge Frau.«
Stattdessen könntest du jetzt mit mir sprechen. Doch sie sagte es nicht. Sie hatte lernen müssen, wie sinnlos derartige Vorschläge waren.
»Weißt du eigentlich, wie dankbar ich dir für die Zeit bin, die du an ihrem Krankenlager verbracht hast?«, fragte Dougald.
»Ja.« Großmutters schlechtem Gesundheitszustand wegen hatten sie die Hochzeit vorgezogen. Was Hannah ihr nicht vorwerfen konnte. Die alte Frau hatte im Sterben gelegen und sich so darüber gefreut, ihren Enkel als gesetzten Ehemann zu sehen. »Ja, das weiß ich.«
»Du bist immer noch blass vor Erschöpfung.« Er zog die Schreibtischschublade auf und holte einen Umschlag voller Pfundnoten heraus. »Hier, du solltest einkaufen gehen. Das hilft gegen Langeweile!«
Hannah legte die Hände auf den Rücken und verschränkte, wild entschlossen, das Kuvert nicht anzunehmen, die Finger ineinander. Sie musste ihm verständlich machen, dass ein Geldgeschenk ihre Probleme nicht löste. »Ich leide nicht an Langeweile, sondern am Unbeschäftigtsein. Als deine Großmutter so krank war, habe ich sie rund um die Uhr gepflegt.
Aber nun ist sie nicht mehr, und ich brauche etwas zu tun. Du hast mir einen Modesalon versprochen!«
»Du bist die Gemahlin eines bekannten Liverpooler Geschäftsmannes. Ich würde wie ein Narr dastehen, wenn du einen Laden eröffnetest.«
»Aber du hast es mir versprochen!«
»Ich habe gar nichts versprochen. Du hast gesagt, du würdest dich für einen Modesalon nicht prostituieren.« Er schob ihr den Umschlag hin. »Du hast gesagt, dass du keinen Grund erkennen könntest, des Geldes wegen deine Prinzipien aufzugeben.«
Es stimmte. Diese Dinge hatte sie im Zug gesagt. Dann hatte er sie verführt, und sie hatte sich, in ihrer Verblendung und im Wirrwarr der überstürzten Hochzeitsvorbereitungen, manches eingebildet, unter anderem, dass er sie glücklich machen wolle. Sie hatte geglaubt, er traue ihr zu, selbst zu wissen, was sie glücklich machte. Nie hatte sie damit gerechnet, dass er ihr das Wort im Munde umdrehen und sie weiterhin manipulieren würde. »Ich kann nicht verstehen, weshalb du dich darum scherst, was andere denken.«
»Ich bin immer noch jung. Meine wilden Jahre werden mir noch lange nachhängen. Wenn ich Erfolg haben will, muss ich mir den Respekt meiner Geschäftspartner verdienen.«. Er gestikulierte herum und bedeutete ihr zu gehen. »Warum halte
Z
. mich überhaupt damit auf, mich dir zu erklären? Vertraue Mir einfach, meine Liebe. Ich weiß, was für dich das Beste ist.«
»Du hast aber schon längst Erfolg.«
»Aber nicht genug. Noch nicht.« Sein sorgloser Tonfall schien seine Entschlossenheit Lügen zu strafen. »Wenn du erst ein paar Kinder aufzuziehen hast, wirst du schon glücklich
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