Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zärtlicher Nachtwind - Kleypas, L: Zärtlicher Nachtwind - Tempt me at Twilight

Zärtlicher Nachtwind - Kleypas, L: Zärtlicher Nachtwind - Tempt me at Twilight

Titel: Zärtlicher Nachtwind - Kleypas, L: Zärtlicher Nachtwind - Tempt me at Twilight Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Kleypas
Vom Netzwerk:
Beatrix von der Herausforderung, so viele gesellschaftliche Regeln zu lernen, einschüchtern lassen. »Wir machen einfach ein Spiel daraus«, hatte Miss Marks erklärt. Dann hatte sie für die Mädchen eine Serie von Reimen verfasst, die sie dann auswendig lernen mussten.
    Zum Beispiel:
    Wollt ihr eine Dame sein beizeiten
    Wahret alle Förmlichkeiten.
    Bei Tisch etwa, so merkt euch gleich,
    wir sagen lieber Rind statt »Fleisch«.
    Wir spielen niemals mit dem Essen,
    auch die gedämpfte Stimme nicht vergessen.
    Mit dem Löffel – dass ihr mich versteht! –
    wird nicht durch die Luft gefegt.
    Und auch die Gabel hält man still
    so man nicht schiefe Blicke ernten will.
    Und wenn es darum ging, in der Öffentlichkeit zu flanieren:
    Auf der Straße mäßigt eure Schritte,
    und trefft ihr einen Fremden, merkt euch bitte,
    ihr sollt nicht seinen Gruß erwidern,
    auf eure Begleitung verweist mit gesenkten Lidern.
    Lädt eine Pfütze euch zum Durchqueren ein,
    so hebt nicht die Röcke, zeigt nicht euer Bein.
    Zieht sie leicht hoch und zur Seite weg
    Und lasst eure Knöchel gut versteckt.
    Für Beatrix gab es außerdem besondere Regeln:
    Bei Besuchen, so lass dir sagen,
    sind stets Handschuh und Hut zu tragen.
    Und vierbeinige Kreaturen, o Graus!,
    die gehören nicht ins Haus.
    Diese unkonventionelle Methode hatte funktioniert, und sowohl Poppy als auch Beatrix hatten selbstbewusst an der Saison teilnehmen können, ohne Schande über sich zu bringen. Die Familie hatte Miss Marks für ihr besonderes Geschick gelobt. Alle außer Leo, der spöttisch erklärte, Elizabeth Barrett Browning hätte von ihr nicht das Geringste zu befürchten. Und Miss Marks hatte geantwortet, sie bezweifle, dass Leos geistige Begabung ausreiche, die Verdienste einer wie auch immer gearteten Poesie zu beurteilen.
    Poppy hatte keine Ahnung, warum ihr Bruder und Miss Marks eine solche Feindseligkeit gegeneinander hegten.
    »Ich glaube, dass sie sich eigentlich heimlich mögen«, hatte Beatrix einmal milde bemerkt.
    Poppy war von diesem Gedanken so überrascht gewesen, dass sie laut loslachte. »Sie bekriegen sich gegenseitig, sobald sie gemeinsam in einem Raum sind, was Gott sei Dank nicht oft vorkommt. Wie kommst du denn darauf?«
    »Nun, wenn man das Paarungsverhalten gewisser Tiere in Betracht zieht, Frettchen zum Beispiel, kann es da ganz schön zur Sache gehen …«
    »Bea, hör auf, über Paarungsverhalten zu sprechen, bitte«, hatte Poppy gesagt und sich bemüht ein Grinsen zu unterdrücken. Ihre neunzehn Jahre alte Schwester legte in allen Dingen, die den Anstand betrafen, eine unerschütterliche fröhliche Gleichgültigkeit an den Tag. »Es ist bestimmt wieder etwas Ordinäres und … woher stammen eigentlich deine Kenntnisse über Paarungsverhalten?«
    »Hauptsächlich aus veterinärmedizinischen Büchern, aber auch, weil ich es beobachtet habe. Tiere sind nicht sonderlich diskret, nicht wahr?«
    »Vermutlich nicht. Aber behalte diese Gedanken lieber für dich, Bea. Hätte Miss Marks dich eben gehört, dann würde sie gleich wieder ein Gedicht für uns schreiben, das wir dann auswendig lernen müssten.«
    Bea hatte sie einen Moment lang mit unschuldigen Augen angesehen. »Verboten ist es jungen Damen … nachzudenken über Samen …«
    »Und woher die Babys kamen … Gibt’s nicht, basta, amen«, hatte Poppy ergänzt.
    Beatrix hatte gegrinst. »Nun, es gibt einfach keinen Grund, warum sie sich nicht zueinander hingezogen fühlen sollten. Leo ist ein Viscount, und er sieht ziemlich gut aus, und Miss Marks ist hübsch und intelligent.«
    »Bislang ist mir nicht zu Ohren gekommen, dass Leo die Absicht hat, eine intelligente Frau zu heiraten«, hatte Poppy geantwortet. »Aber ich stimme dir zu – Miss Marks ist sehr hübsch. Ganz besonders in der letzten Zeit. Anfangs war sie immer so schrecklich dünn und bleich, dass sie mir eher unscheinbar vorkam. Aber jetzt, wo sie ein bisschen rundlicher ist…«
    »Ein paar Kilo mindestens«, hatte Beatrix bekräftigt. »Sie ist auch viel fröhlicher. Ich glaube, als wir sie kennenlernten, hatte sie gerade eine richtig schlimme Zeit hinter sich.«
    »Daran habe ich auch schon gedacht. Ich frage mich, ob wir jemals herausfinden werden, was passiert ist?«
    Poppy hatte keine Vorstellung, was Miss Marks widerfahren sein könnte. Aber als sie an diesem Morgen in ihr müdes Gesicht blickte, kam ihr der Gedanke, dass die immer wiederkehrenden Alpträume mit ihrer rätselhaften Vergangenheit zu tun haben

Weitere Kostenlose Bücher