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Zärtlicher Nachtwind - Kleypas, L: Zärtlicher Nachtwind - Tempt me at Twilight

Zärtlicher Nachtwind - Kleypas, L: Zärtlicher Nachtwind - Tempt me at Twilight

Titel: Zärtlicher Nachtwind - Kleypas, L: Zärtlicher Nachtwind - Tempt me at Twilight Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Kleypas
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jagten ihr einen Schauder nach dem anderen über den Rücken. Sie folgte ihm blind, gedankenlos, und wollte ihn schmecken. Als sie ihm ihr Gesicht zuwandte, streiften ihre Lippen sein rasiertes Kinn. Ihm stockte der Atem. »Sie sollten keinem Mann nachweinen«, flüsterte er an ihrer Wange. Seine Stimme war sanft und dunkel wie geräucherter Honig. »Keiner ist auch nur eine einzige Ihrer Tränen wert.« Und ehe sie etwas erwidern konnte, küsste er sie lange und leidenschaftlich.
    Poppy spürte, wie alle Willenskraft von ihr wich und sie gegen seinen Körper schmolz. In diesem Augenblick drängte sich seine Zungenspitze zwischen ihre geöffneten Lippen, und das Gefühl war so fremd, so intim und sinnberauschend, dass ein heftiger Schauder sie durchfuhr. Er ließ von ihr ab.
    »Tut mir leid, ich … ich wollte Sie nicht erschrecken.«
    Poppy wusste nicht, was sie antworten sollte. Er hatte sie nicht erschreckt. Vielmehr hatte er ihr einen kurzen Einblick gewährt in das weite Feld der erotischen Liebe, das ihr bislang unbekannt war. Trotz ihrer Unerfahrenheit begriff sie, dass dieser Mann mächtig genug war, ihr Innerstes nach außen zu kehren. Und darauf war sie nicht gefasst gewesen. Es war ihr noch nicht einmal in den Sinn gekommen.
    Das Herz schlug ihr bis zum Hals. Sie versuchte, das heftige Klopfen in ihrer Kehle herunterzuschlucken. Ihre Lippen fühlten sich geschwollen an und schmerzten. Auch spürte sie ein Pochen an ungewohnten Stellen.
    Harry nahm ihr Gesicht in beide Hände, mit den Daumen streichelte er ihre geröteten Wangen. »Der Walzer ist mittlerweile zu Ende. Ihre Gesellschafterin wird mich anfallen wie ein Rat Terrier, weil ich Sie so spät zurückbringe.«
    »Sie ist sehr beschützerisch«, bemerkte Poppy treffend.
    »Das sollte sie auch sein.« Harry ließ die Hände sinken und gab Poppy frei.
    Poppy strauchelte, ihre Knie waren butterweich. Harry fing sie reflexartig auf und zog sie wieder zu sich heran. »Schwindelig?« Sie hörte ihn leise lachen. »Meine Schuld. Ich hätte Sie nicht so küssen dürfen.«
    »Sie haben ganz Recht«, erwiderte sie, als sich ihr Humor wieder zaghaft bemerkbar machte. »Ich sollte Ihnen einen Dämpfer aufsetzen … Sie ohrfeigen … oder wie lautet die allgemeine Reaktion der Damen, mit denen Sie sich derartige Freiheiten erlauben?«
    »Sie ermuntern mich, es noch einmal zu tun?«, schlug Harry auf so gespielt unschuldige Weise vor, dass sich Poppy ein Lächeln nicht verkneifen konnte.
    »Nein«, sagte sie. »Ich werde Sie nicht dazu ermuntern.«
    Sie sahen einander in der Dunkelheit an. Nur ein paar vereinzelte Lichtschimmer, die von den Fenstern im oberen Stockwerk ausgingen, durchdrangen die finstere Nacht. Wie unberechenbar das Leben doch war, dachte Poppy. Eigentlich hätte sie heute mit Michael tanzen sollen. Nun hatte Michael sie ausrangiert, und sie stand außerhalb des Ballsaales in einer dunklen Ecke mit einem Fremden.
    Es war interessant, dass sie so verliebt in einen Mann sein und zugleich einen anderen so unwiderstehlich finden konnte. Doch Harry Rutledge war einer der faszinierendsten Menschen, die sie je in ihrem Leben kennengelernt hatte. Er hatte so viele Facetten, sein Charme, sein Tatendrang, seine Skrupellosigkeit waren so vielschichtig, dass es ihr unmöglich war zu erfassen, welche Art von Mann er tatsächlich war. Sie fragte sich, wie er wohl in seinen vertraulichen Momenten war.
    Beinahe bedauerte sie es, dass sie es nie herausfinden würde.
    »Lassen Sie mich Buße tun«, drängte Harry. »Sie haben einen Wunsch frei.«
    Als ihre Blicke sich trafen, und als sie in seine grünen Augen starrte, begriff Poppy, dass er es ernst meinte. »Wie groß soll die Buße denn sein?«, fragte sie.
    Harry legte den Kopf leicht schief und sah sie prüfend an. »Wünschen Sie sich etwas, die Größe spielt keine Rolle.«
    »Und wenn ich mir ein Schloss wünschte?«
    »Wird gemacht«, erwiderte er prompt.
    »Eigentlich möchte ich gar kein Schloss. Dort zieht es mir zu sehr. Wie wäre es mit einer Diamantentiara?«
    »Gewiss. Eine eher schlichte für tagsüber oder etwas Ausgefeilteres?«
    Poppy musste lächeln, obwohl sie noch vor wenigen Minuten geglaubt hatte, in ihrem Leben nie wieder ein aufrichtiges Lächeln zustande zu bringen. Sie empfand ein tiefes Gefühl der Zuneigung und Dankbarkeit für diesen Mann. Niemand sonst hätte sie in dieser Situation trösten können. Doch ihr Lächeln wurde bittersüß, als sie noch einmal zu ihm

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