Zärtlicher Sturm
heiraten, Männer, die du kennst, keine Fremden. Wenn Lucas Holt die Fahrkarten geschickt hat und dich erwartet, dann heißt das noch lange nicht, daß du hinfahren mußt. Schick ihm die Fahrkarten zurück. Was kann er dann noch machen?«
Stephanie machte einen kläglichen Eindruck. »Du verstehst es nicht, Trudi. Der einzige Mann, den ich will, heiratet meine Schwester. Ich muß es tun. Nächste Woche findet Sharisses Hochzeit statt. Ich habe nicht vor, hier zu sein und es mitanzusehen.«
»Und deshalb läufst du weg.«
Stephanie sah den Fußboden an. »Wenn du es unbedingt so sagen willst, ja, ich laufe weg.«
Trudi legte die Stirn in Falten. »Ist es dir denn ganz egal, daß du dich vielleicht für den Rest deines Lebens jämmerlich fühlst?«
»Ich habe mich damit abgefunden, für den Rest meines Lebens unglücklich zu sein«, sagte Stephanie seufzend.
»Hast du denn überhaupt nichts unternommen, um die Dinge zu ändern? Hast du mit deinem Vater gesprochen? Hast du es deiner Schwester gesagt? Weiß es irgend jemand außer mir?«
»Nein, nein und nochmals nein. Was für einen Unterschied würde es machen, abgesehen von der Demütigung, die es für mich bedeuten würde? Mein Vater nimmt mich nicht ernst. Er hält mich immer noch für ein Kind.
Und die Vorstellung, daß Sharisse es erfährt, ist mir unerträglich. Ich will nicht von ihr bemitleidet werden.«
»Sie ist deine Schwester, nicht dein ärgster Feind. Sie liebt dich. Vielleicht könnte gerade sie dir helfen.«
»Es gibt nichts, was sie tun könnte.«
»Woher willst du das wissen? Es mag ja sein, daß du dich fürchtest, es deinem Vater zu sagen, aber vielleicht fürchtet sie sich nicht.«
»Das würde sie nicht wagen«, sagte Stephanie atemlos. Trudi kannte Marcus Hammond nicht allzu gut.
»Sie ist praktischer als du, Steph, und sie läßt sich nicht so schnell einen Strich durch die Rechnung machen.«
»Das ist nur aufgesetzt«, sagte Stephanie.
Trudi nahm einen neuen Anlauf.
»Und was ist, wenn Sharisse sich weigert, Joel zu heiraten? Sie scheint ihn ohnehin nicht zu lieben.«
Stephanie sah sie mit einem schiefen Lächeln an. »Niemand wagt es, sich meinem Vater zu widersetzen, und am allerwenigsten Rissy oder ich.«
»Jetzt mal ehrlich, Stephanie Hammond. Du willst es also nicht einmal versuchen, stimmt's?« sagte Trudi verärgert. »Ich würde mich jedenfalls nicht kampflos geschlagen geben. Ich täte alles Erdenkliche, um das zu kriegen, was ich will.«
Stephanie zuckte nur die Achseln.
»Du brauchst nichts weiter zu tun, als deiner Schwester die Wahrheit zu sagen. Schließlich sieht es nicht danach aus, daß sie ihn liebt und wirklich etwas aufgeben würde. Du hast gesagt, daß sie sich nichts aus ihm macht, daß sie ihre eigene Hochzeit so behandelt wie eine unter vielen Partys, die sie in diesem Sommer aufsuchen wird. Ich habe sie selbst schon mit Joel gesehen. Sie geht mit ihm um wie mit einem Bruder. Wenn sie ihn liebt, dann verbirgt sie es sehr geschickt.«
»Nein, sie liebt ihn nicht. Das weiß ich gewiß.«
»Und warum sollte sie dir dann nicht helfen wollen?«
»Hör auf, Trudi. Es gibt nichts, was sie für mich tun könnte.«
»Vielleicht nicht. Aber was ist, wenn sie doch etwas für dich tun könnte? Was ist, wenn es ihr gelingt, die Hochzeit abzublasen und Joel dir zu überlassen? Schlimmstenfalls kannst du damit rechnen, daß sie diejenige ist, die wegläuft. Und dann findet zumindest die Hochzeit nicht statt.«
»Das ist doch verrückt, Trudi«, sagte Stephanie wütend, aber sie war wütend auf sich selbst, weil sie wünschte, es wäre Sharisse, die fortliefe. Lucas Holt war wahrscheinlich alt und häßlich, und sie würde an seiner Seite wirklich unglücklich werden. Sie hatte ein solches Durcheinander angerichtet. Sie spürte, daß die Tränen in ihr aufstiegen.
»Ich könnte Rissy ja zumindest einmal sagen, was ich empfinde«, sagte Stephanie zaghaft.
»Das ist das erste vernünftige Wort, was du heute gesagt hast.« Trudi lächelte sie an und fühlte sich ein wenig erleichtert.
»Gute Nacht, Rissy.«
»Gute Nacht, Joel.«
Sharisse schloß die Augen und wartete auf den üblichen mechanisch gegebenen Kuß, und sie wünschte sich verzweifelt, sie würde diesmal etwas dabei empfinden. Sie empfand nichts. Es war keine Kraft in den Händen, die ihre Schultern umfaßten, keine Begeisterung in den Lippen, die die ihren streiften. Er hatte sie nie an sich gezogen, und ihr wurde klar, daß sie nicht wußte, was
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