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Zärtlicher Sturm

Zärtlicher Sturm

Titel: Zärtlicher Sturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johanna Lindsey
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Gesicht erst der Haushälterin zu, dann Sharisse. »Geben Sie mir noch eine Chance, Miß. Ich schwöre, daß ich mich mehr anstrengen werde. Ich kann nicht nach Five Points zurückgehen. Bitte, lassen Sie nicht zu, daß sie mich zurückschickt.«
    »Five Points?« Mrs. Etherton war plötzlich aufgebracht. »Du hast mir doch gesagt, daß du von einer Farm im Norden kommst. Du hast also gelogen, stimmt's?«
    »Sie hätten mich nicht genommen, wenn Sie gewußt hätten, daß ich aus Five Points komme.«
    Sharisse hörte angewidert zu. Sie konnte dem armen Mädchen nicht vorwerfen, daß es so fassungslos war. Sie war nie auch nur in der Nähe von Five Points gewesen, aber sie wußte, daß es in dieser Gegend von Manhattan die schlimmsten Slums der ganzen Stadt gab, darunter auch die berüchtigte ›alte Brauerei‹, wo Menschen in baufälligen, schmutzigen Häusern zusammengepfercht lebten. Die jährlichen Ziffern der dort verübten Morde, Überfälle und anderer Verbrechen waren schwindelerregend. Kein Fremder war sicher, wenn er durch diese Straßen lief. Wenn man sich vorstellte, daß das arme Kind, das nicht älter als fünfzehn sein konnte, dort aufgewachsen war und sich verzweifelt bemühte, dem zu entkommen …
    »Sie werden ihr doch noch eine Chance geben, Mrs. Etherton?« sagte Sharisse impulsiv.
    Auf das Gesicht der Haushälterin traten nervöse Flecken. »Aber, Miß …«
    »Jeder verdient es, mehr als eine Chance zu bekommen«, sagte Sharisse glühend. »Sieh dich nur vor, daß du in Zukunft behutsamer bist.«
    »Oh, danke, Miß!«
    »Hat eigentlich irgend jemand Charley gesehen?« fragte Sharisse.
    »In der Vorratskammer, Miß«, warf die Köchin ein.
    »Natürlich, in der Vorratskammer«, sagte Sharisse.
    Da lag er denn auch auf den kühlen Kacheln mit einem Hühnerbein, das er stibitzt hatte. Ohne ein weiteres Wort an die Hausangestellten zu richten, verließ Sharisse mit Charley die Küche. Der langhaarige Kater kuschelte sich wohlig in den Arm seiner Gönnerin.

2

    Stephanie legte den Brief aus der Hand, den sie gerade gelesen hatte. Trotzig sah sie ihre beste Freundin, Trudi Baker, an. »Jetzt weißt du also, daß es nicht frei erfunden war, als ich gesagt habe, daß ich heirate. Ehe der Monat vorbei ist, bin ich Mrs. Lucas Holt.«
    Sie hatten es sich in Stephanies Schlafzimmer bequem gemacht, einem sehr femininen Zimmer mit weißen Draperien vor den beiden Fenstern, lavendelfarbenen Tapeten und einem Himmelbett, dessen Baldachin rosa und weiß war. Das kleine Sofa, auf dem Trudi saß, war mit einem zartrosa Brokatstoff überzogen und paßte im Ton zu ihrem Nachmittagskleid.
    Die beiden jungen Mädchen waren fast gleich groß und hatten beide einen hellen Teint, aber Trudi hatte grüne Augen. Sie war sechs Monate älter als Stephanie, in ihren Augen ein großer Altersunterschied. Sie war auch von ihrer ganzen Art her angriffslustiger. Beide Mädchen waren sich darüber einig, daß sie die Verwegenere von beiden war, und daran lag es auch, daß es ihr solche Schwierigkeiten bereitete, all das hinzunehmen.
    Wenn sie nicht mit eigenen Augen die Fahrkarten für die Kutsche und den Zug gesehen hätte, hätte sie nach wie vor geglaubt, daß ihre Freundin sie auf den Arm nahm.
    »Nun, was sagst du?« fragte Stephanie.
    Trudi versuchte, den Punkt anzusprechen, der ihr am wesentlichsten erschien. »Er sieht bestimmt nicht gut aus. Wahrscheinlich ist er so häßlich, daß ihn da unten keine Frau haben will. Deshalb mußte er auch inserieren, um eine Frau zu bekommen.«
    »Unsinn, Trudi. Es kann auch genau umgekehrt sein. Er konnte kein Mädchen finden, das hübsch genug war, jedenfalls nicht so schön wie er.«
    »Wunschdenken, Steph! Wenn du ihm schon ein Bild von dir geschickt hast, weshalb hast du ihn dann nicht aufgefordert, dir ein Bild zu schicken?«
    Stephanie biß sich auf die Lippen. »Das habe ich getan«, gab sie zu. »Aber er hat kein Bild geschickt und meine Bitte auch mit keinem Wort erwähnt.«
    »Siehst du! Er ist alt und häßlich, und er hat genau gewußt, daß er keine Chancen bei dir hat, wenn du siehst, wie er aussieht.«
    »Wahrscheinlich hat er bloß kein Bild von sich selbst.«
    »Steph, warum gibst du nicht einfach zu, daß du die ganze Sache nicht wirklich durchdacht hast?«
    Stephanie setzte einen noch halsstarrigeren Blick auf, und Trudi sprach sprudelnd weiter. »Warum ausgerechnet er? Hier gibt es Dutzende von Männern, die sofort die Gelegenheit beim Schopf packen würden, dich zu

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