Zärtlicher Sturm
viele Aufträge, daß Billy und ich demnächst wieder in die Berge gehen müssen, um neue Pferde einzufangen.«
»Ihr fangt Pferde?« fragte Sharisse überrascht. »Ich dachte, ihr züchtet sie. Ist die Zucht nicht das Übliche auf einer Pferderanch?«
»Es ist noch keine zwei Jahre her, seit ich mich hier niedergelassen habe, Sharisse. Ich konnte kein einziges Pferd zu dieser Ranch dazukaufen. Ich habe mit einem Zuchtprogramm begonnen, sogar ein Vollblut aus Kentucky geholt, aber es dauert lange, bis man eine Zucht aufgebaut hat. In den Hügeln weidet eine ganze Menge Fohlen, aber keins der Fohlen ist alt genug für den Verkauf, und so wird es auch noch eine ganze Weile bleiben.«
»Ich verstehe. Es ist nur … du hast dich hier so gut eingelebt, daß ich dachte, du seist schon wesentlich länger hier.«
»Es dauert nicht lange, bis man sich eingewöhnt hat«, sagte er bedeutungsvoll.
»Ich nehme an, es hängt davon ab, aus welchen Verhältnissen man stammt«, murmelte sie.
»Glaubst du, ich käme aus so anderen Verhältnissen als du?« fragte er belustigt.
»Auf diese Antwort warte ich bisher noch«, sagte sie liebenswürdig.
Er lachte. »Laß mich diese Mahlzeit genießen, ehe ich dir meine Lebensgeschichte erzähle.«
Er fing an zu essen, während sie sich etwas auf den Teller schöpfte. Sie warf ihm Seitenblicke zu, weil sie wissen wollte, wie er über ihren ersten Kochversuch dachte, doch sein Gesichtsausdruck war unergründlich.
Sie steckte sich den ersten Bissen Fleisch in den Mund. Es war zäh und knochentrocken. Das Brot schmeckte verschimmelt, und als sie es sich näher ansah, fand sie rohes Mehl. Die Karotten waren hart, aber eßbar. Die Kartoffeln waren breiig. Die Zwiebeln waren genau richtig. Aber was konnte man bei einer Zwiebel schon falsch machen? Und der Kaffee war, nach dem vierten Anlauf, göttlich.
Sie sah Lucas mit glühenden Wangen an. »Es schmeckt gräßlich, stimmt's?«
»Ich habe schon Schlimmeres gegessen«, brummte er.
Sie war einfach nicht bereit, sich davon aus der Fassung bringen zu lassen. »Ich vermute, die wenigen Dinge, die ich im Rezept ausgelassen habe, waren doch wichtiger, als ich dachte.«
»Willst du damit sagen, daß du improvisiert hast?«
»Nein, ich habe nur die Dinge weggelassen, die ich nicht verstanden habe. Aber woher hätte ich auch wissen sollen, was ›kneten‹ in Zusammenhang mit Brot bedeutet? Ich habe dieses Wort noch nie gehört. Und dann stand da, daß man das Rindfleisch langsam garen soll, aber nirgends wird erklärt, was langsam garen ist. Dann stand da, daß man Wasser dazugeben soll, aber nicht wieviel, und daß man es nach Geschmack würzen soll, aber nicht womit. Außerdem habe ich ohnehin nur Salz gefunden.«
»Die Kräuter wachsen im Garten, Sharisse.«
»Ein guter Zeitpunkt, mir das zu sagen.«
»Ich glaube, Willow muß dich doch einmal besuchen. Du kannst sie nach den Dingen fragen, die du nicht verstehst. Aber tu wenigstens ein paar Kaffeebohnen in den Kaffee.«
»Der Kaffee ist doch perfekt!«
»Er schmeckt wie heißes Wasser.«
Lucas lehnte sich zurück. Für einen allerersten Versuch war das Essen gar nicht so übel gewesen. Außerdem hatte er damit gerechnet, sie zerzaust und am Ende ihrer Kräfte vorzufinden, aber sie sah nach der ungewohnten Arbeit gut aus, zu gut sogar.
Den ganzen Tag über war sie ihm nicht aus dem Kopf gegangen, und er hatte sich ständig beschäftigen müssen, um der Versuchung zu entgehen, immer wieder zu ihr zurückzukommen. Er konnte sich nicht erinnern, je so oft an eine Frau gedacht zu haben. Keine Frau war ihm jemals so nahe gewesen. Es war eine schlichte Tatsache, daß er sie begehrte. Er gestand sich jetzt ein, daß das schon so war, seit er das Foto von ihr zum ersten Mal gesehen hatte. Jetzt, da sie in Fleisch und Blut vor ihm stand, war er entflammt. Dieses Lodern war fast mehr als das, was sein Körper ertragen konnte.
Wenn er derart begierig darauf war, sie zu besitzen, nachdem sie erst einen Tag lang hier war, dann wußte er nicht, wie er es verhindern sollte, mit ihr zu schlafen, ehe er sie fortschickte. Das widersprach seinen Plänen, aber er hatte nicht vor, gegen seine Begierde anzukämpfen. Wäre sie noch eine Jungfrau gewesen, so hätte er sich größere Gedanken machen müssen, aber sie war keine Jungfrau.
»Habe ich dir eigentlich schon gesagt, wie bezaubernd du in diesem Kleid aussiehst?« hörte er sich sagen.
Sharisse sah ihn über die Schulter an. »In diesem alten
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