Zärtlicher Sturm
ich entschuldige mich dafür. Ich fürchte, meine Neugier hat die Oberhand gewonnen. Ich hatte nicht damit gerechnet, daß du jemandem schreiben würdest.«
»Meine Schwester und ich, wir stehen uns sehr nahe.« Sharisse ließ sich erweichen, gerade soviel zu erklären. »Ich kann zwar nicht an sie direkt schreiben, wegen meines Vaters, aber sie hat mich versprechen lassen, ihr Bescheid zu geben, wenn ich heil angekommen bin.«
»Sie weiß, mit welcher Absicht du in den Westen gekommen bist? Und sie fand die Idee gut?«
Ja, und zwar aus tiefstem Herzen, hätte Sharisse am liebsten erbittert gesagt, doch dann überkamen sie schon allein bei diesem Gedanken Schuldgefühle. Sie konnte all das wahrhaftig nicht ihrer Schwester in die Schuhe schieben.
»Was hätte sie sonst sagen sollen? Stephanie kennt die näheren Umstände.«
Er sagte versonnen: »Sie hat auf dem Bild älter als siebzehn ausgesehen. Aber dich habe ich schließlich auch für älter als achtzehn gehalten.«
»Das liegt daran …«
Sie unterbrach sich abrupt, da sie im letzten Moment noch merkte, daß er aus Stephanies Briefen auf ihr Alter geschlossen hatte. Welche Überraschungen standen ihr noch bevor, weil Stephanie mit diesem Mann korrespondiert hatte? Sie wünschte, sie könnte diese Briefe sehen, ehe sie durch einen ungeschickten Zufall alles verpfuschte.
»Woran?« fragte Lucas.
»An meiner Größe«, beendete sie unbeholfen ihren Satz. »Dadurch habe ich immer älter gewirkt.«
»Du bist nicht gern so groß, stimmt's?«
Ihr blieb nahezu die Luft weg. Noch kein Mann war so taktlos gewesen, dieses Thema auch nur anzusprechen. Allein die Vorstellung! Daß dieser hier sich einbildete … hatte er denn überhaupt keine Manieren?
»Es geht nicht so sehr darum, daß ich nicht gern groß bin«, sagte sie zu ihrer Verteidigung und versuchte gleichzeitig, ihm einen Vorwurf zu machen. »Es geht eher darum, daß die meisten Männer sich durch meine Größe aus der Fassung bringen lassen, und das ist manchmal peinlich.«
»Ich nicht.«
»Nein, Sie gewiß nicht«, sagte sie trocken.
Er lachte. Dann nahm er ihren Ellbogen und ging mit ihr auf die Tür zu. »Wie wäre es mit einem Spaziergang? Deine Arbeit kann noch ein Weilchen liegenbleiben.«
Diese Dreistigkeit, dachte Sharisse. Er hatte nicht einmal abgewartet, ob sie sich einverstanden erklärte, mit ihm spazierenzugehen. Dann wurde ihr erst klar, was er eigentlich gesagt hatte.
»Was sind das eigentlich für Arbeiten, von denen Sie sprechen, Mr. Holt?« Sie entzog ihm mit einer entschiedenen Bewegung ihren Ellbogen, blieb stehen und zwang ihn, ebenfalls stehen zu bleiben und ihr ins Gesicht zu sehen.
»Der Garten braucht Pflege – Unkrautjäten und so weiter. Es müssen Kleider gewaschen werden. Mein Zimmer hätte es auch nötig, mal gründlich saubergemacht zu werden. Frauenarbeiten eben.«
Sie wollte Einwände erheben, doch in seiner Stimme hatte etwas Bedrohliches gelegen, und sie war sich nie sicher, wann er wirklich wütend war.
»Mir war nicht klar …«
»Das sehe ich selbst«, sagte er freundlich. »Und daher mache ich auch Zugeständnisse. Aber ich habe Sie in meinem Brief gewarnt, daß das Leben hier nicht einfach ist.«
Konnte sie es wagen zu behaupten, sie hätte geglaubt, daß seine Warnungen sich auf das Klima bezogen? Keinen Moment lang war sie auf den Gedanken gekommen, sie könnte Dienstbotenarbeiten verrichten müssen, doch anders konnte sie ihre Situation nicht betrachten. Und sie konnte nicht das geringste dagegen unternehmen, es sei denn, sich augenblicklich von ihm nach New York schicken zu lassen. Diese Vorstellung war eine gewaltige Versuchung, doch als sie an ihre Schwester dachte, rührten sich Gewissensbisse. Sie mußte Stephanie eine Chance geben. Sie wollte sich selbst nicht eingestehen, wie sehr sie sich davor fürchtete, ihrem Vater gegenüberzutreten.
Sie zwang sich zu einem Lächeln, obwohl sie am liebsten geweint hätte. »Wir wollten doch Spazierengehen.«
Er grinste und nahm wieder ihren Ellbogen. Sie nahm diese Berührung, seine Nähe, überdeutlich wahr. Als er sie zum Pferch geführt hatte, wich sie angewidert zurück, und er sagte: »Was ist?«
Sie sah ihn von der Seite an. »Ich kann Pferde nicht leiden. Und besonders unangenehm ist mir der Geruch von Pferden.«
Er grinste. »Das hier ist eine Ranch, auf der Pferde gezüchtet werden, Schätzchen. Du wirst dich an den Geruch gewöhnen müssen.«
»Ich wüßte nicht, warum.« Sie kniff
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