Zärtlicher Sturm
allen Einzelheiten Erklärungen dafür, was schiefgegangen ist – obwohl uns das auch nicht gerade viel nützt. Ich sollte jetzt wieder zu Sharisse gehen und mich um sie kümmern, vermute ich. Gute Nacht, Sam.«
Sam nickte nur. Er fühlte sich elend, elend bis in seine Eingeweide. Alles, was er sich im Lauf der Jahre aufgebaut hatte, war futsch, wenn er nicht noch mehr Bargeld auftreiben konnte. Er würde diesem Anwalt aus St. Louis telegrafieren müssen, demjenigen, der etwas über europäische Klienten geschrieben hatte, die eine große Ranch in dieser Gegend suchten. Vielleicht hatte einer dieser Klienten auch Lust, ein Hotel zu kaufen. Das würde bedeuten, daß er alles aufs Spiel setzte, aber was blieb ihm anderes übrig?
Er mußte es einfach tun. Er hatte keine andere Wahl. Und außerdem war er zu alt, um noch einmal von vorn anzufangen. Die Zeiten hatten sich geändert. Es war nicht mehr so leicht, aus anderen Claims das Gold zu stehlen, um schnell zu Reichtum zu kommen. Das Gesetz hatte in Arizona seinen Einzug gehalten.
Er blieb allein in seinem Arbeitszimmer sitzen und sah ins Leere. Er wußte, was er zu tun hatte. Er wußte, daß ihm nichts anderes übrigblieb.
13
Sharisse war betrunken. Sie konnte wunderbar damit umgehen; sie hielt sich so würdevoll und gab sich so zurückhaltend, daß niemand auch nur auf den Gedanken kam. Selbst Lucas merkte es erst, als sie kicherte, sowie sie in der Kutsche saßen, und dann mit dem Kopf auf seiner Schulter einschlief.
Lucas amüsierte sich. Er hätte nicht geglaubt, daß das arrogante Mädchen an diesen Punkt kommen könnte, und er war überrascht und auch ein wenig erstaunt. Aber schließlich hätte ihn an diesem Abend nichts aus der Ruhe bringen können, nicht nach seiner Unterhaltung mit Sam.
Als er Sam in dessen Arbeitszimmer gegenübergesessen hatte, hatte er die Panik des Mannes förmlich riechen können. Wie lange hatte er auf diesen Moment gewartet!
Fast lachte er laut, als er an die kleine Herde von Pferden dachte, die Newcomb bestellt hatte. Wenn der Zeitpunkt der Lieferung kam, würde nichts übrig sein, womit er sie bezahlen konnte. Doch Lucas würde die Pferde einfangen und zähmen müssen, als sei ihm dieser Umstand nicht bewußt.
Sharisse rührte sich neben ihm, legte einen Arm über seine Brust und schmiegte ihren Kopf an seinen Nacken. Ihr kurzer Umhang sprang auf und gab ihm einen Ausblick in ihr tief ausgeschnittenes Decolleté und die sanfte Wölbung ihrer Brüste. Seine Hand, die auf ihrer Taille lag, bewegte sich sanft über ihre Kurven.
Was sollte er bloß mit ihr anfangen? Sie war wesentlich mehr als nur das, was er zu erwerben geglaubt hatte. Er begehrte dieses Mädchen, das so zufrieden an ihn geschmiegt schlief. Und diese Begierde war so gewaltig, daß es ihm vorkam, als habe sie sich über Jahre aufgebaut und nicht erst in den drei Tagen, seit sie hier war. Drei Tage, und schon jetzt heckte er Pläne aus, sie zu verführen.
Er schüttelte den Kopf, verabscheute sich selbst und das, worüber er keine Herrschaft hatte. Das Ganze konnte nur mit Reue enden, das wußte er jetzt schon, aber was konnte er denn tun? Er hatte sie vorn und hinten belogen, und es würde noch zu viel mehr Lügen kommen, ehe er mit ihr fertig war. War es denn noch nicht schlimm genug, daß er sie in Newcombs Untergang hineingezogen hatte, sie dazu benutzte, diesen zu bewerkstelligen?
Sie fürchtete sich vor ihm, obwohl er einfach nicht verstehen konnte, warum. Daher hatte sie auch schon gesagt, daß sie ihn gar nicht heiraten wollte. Wenn er sie in sein Bett zog, würde sie es dann immer noch so sehen? War sie der Typ Frau, der Liebe im Bett mit absoluter Hingabe gleichsetzte? Er wünschte, sie wäre durchschaubarer gewesen. Und er wünschte, sie würde sich nicht vor ihm fürchten.
Die Kutsche hielt vor dem Haus an, doch Sharisse schlief immer noch tief und fest. Lucas setzte sich behutsam auf und zog sie mit sich.
»Sharisse?«
Sie runzelte die Stirn und hielt sich an seiner Jacke fest. »Aber ich will ihn nicht heiraten, Vater. Stephanie liebt Joel, nicht ich.«
Lucas grinste und fragte sich, worum sich das alles wohl drehen mochte. »Sharisse, wach auf.«
Sie schlug die Augen auf und wußte nicht, wo sie war. »Wer …? Oh, du bist es.« Sie sah sich in der Kutsche um. »Was tun wir hier?«
»Die Party – weißt du noch? Wir kommen gerade von dort nach Hause.«
Sie wankte und fand ihr Gleichgewicht wieder, indem sie sich an ihm festhielt.
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