Zärtlicher Sturm
Willow.
»Tätest du das wirklich? Das wäre schrecklich nett. Ich ziehe mich nur schnell an und komme dann ins andere Zimmer.«
Als die Tür sich geschlossen hatte, suchte Sharisse wie rasend in ihrem Gedächtnis. Lucas war fortgegangen, nachdem er sie entkleidet hatte. Oder war er doch nicht fortgegangen? Sie hatte nicht das Gefühl, daß ihr die Jungfräulichkeit genommen worden war, aber vielleicht hätte sie den Unterschied gar nicht erkannt. Sie mußte einfach ihre Erinnerung wiederfinden!
Kurz darauf öffnete Sharisse zögernd die Tür, weil sie fürchtete, Lucas im Nebenzimmer vorzufinden. Doch dort war nur Willow.
»Meine Güte.« Sharisse lächelte sie an. »Ich habe es vorhin nicht bemerkt, aber du erwartest das Kind ja schon bald, nicht wahr?«
Willow strich mit ihren Händen liebevoll über ihren vorstehenden Bauch. »Ja, es kommt jetzt bald.«
»Gibt es hier in der Nähe einen Arzt?«
»Wozu?«
»Aber … gewiß …« Sharisse verstummte, weil sie nicht wußte, was sie sagen sollte.
Willow lächelte sie an. »Wozu brauche ich denn einen Arzt? Ich weiß selbst, was zu tun ist.«
»Heißt das, daß du keine Hilfe haben willst?«
»Das ist etwas, was ganz allein mir gehört. Ich werde sogar Billy fortschicken, wenn er zurückkommt, ehe das Baby da ist.«
»Zurückkommt? Ist er fort?«
»In den Bergen. Er und Luke sind in den Bergen, um die Wildpferde für Mr. Newcomb zu fangen.
Sharisse gelang es, ihr Erstaunen zu verbergen. »Lucas hat das erwähnt, ja. Mir war nur nicht klar, daß er … schon so bald fortgeht.«
»Ich verstehe schon. Er hat es Ihnen nicht gesagt. Ganz wie ein Mann, der einen Abschied vermeiden will, wenn er sich noch nicht wirklich an eine Frau gewöhnt hat. Billy war genauso, als wir erst kurze Zeit verheiratet waren. Er hat sich nichts dabei gedacht, einfach wegzugehen, ohne mir zu sagen, daß er geht oder wohin er geht.«
»Das liegt doch sicher daran, daß er es gewohnt war, allein zu leben?« schlug Sharisse vor.
»Nein. Er war schon einmal verheiratet. Seine erste Frau war natürlich ein böses Weib, und er ist ihr nach Möglichkeit aus dem Weg gegangen. Vielleicht haben Sie recht, und es lag nur daran, daß er es so gewohnt war. Jetzt mag er Abschiede, weil er das als Vorwand nutzt, um …«
Sie lächelte, und Sharisse war schockiert über diese freimütige Anspielung. Außerdem bereitete es ihr extreme Schwierigkeiten, sich Billy, der wie ein Wilder aussah, als verliebten Mann vorzustellen.
»Ist das für mich?« Sharisse deutete auf ein Glas, das auf dem Tisch stand. Als Willow nickte, nippte sie von der zähen Flüssigkeit, stellte fest, daß das Getränk nur ein wenig bitter war, und trank den Rest aus.
»Setzen Sie sich«, sagte Willow, die das Glas nahm. »Ich mache Ihnen jetzt Frühstück.«
Sharisse war entgeistert. »Davon will ich kein Wort hören. Du solltest im Bett liegen, und um dich sollte sich jemand kümmern und für dich sorgen, nicht umgekehrt. Und überhaupt ist es jetzt Mittagessenszeit. Du setzt dich hin, und ich koche das Mittagessen.«
»Warum sollte ich im Bett liegen?«
»Warum? Wegen deines Zustands.«
Willow lachte leise. »Ich bin nicht krank. Ich bekomme nur ein Baby.«
»Aber dann kann man doch nicht von dir erwarten, daß du all das tust, was du normalerweise tust. Die wenigen Frauen, die ich kenne, die Babys bekommen haben, haben das Haus nicht mehr verlassen, sowie sich die ersten Anzeichen einer Schwangerschaft gezeigt haben. In den letzten Monaten haben sie sich ganz ins Bett gelegt. Meine eigene Mutter hat darauf bestanden, daß man sie umsorgte und ihr alles abnahm, als sie meine Schwester erwartet hat.«
»Vielleicht war sie wirklich krank.«
»Nein, soweit ich mich erinnere, war sie kerngesund und das blühende Leben.« Sharisse legte nachdenklich die Stirn in Falten. »Du meinst, es ist gar nicht nötig, sich derart zu schonen und verhätscheln zu lassen?«
»Eine Indianerin würde ausgelacht, wenn sie sich durch eine so kleine Unpäßlichkeit davon abhalten ließe, für sich selbst und für ihre Familie zu sorgen. Wenn man rumliegt und nichts tut, so kann das den Körper nur schwächen, und man braucht doch Kraft für die Geburt.«
»Aus der Sicht habe ich mir das nie überlegt.«
»Wenn du erst selbst ein Kind bekommst, wirst du sehen, daß es ein Vergnügen ist und keine Last. Es gibt Kräuter, die gegen die Übelkeit am Anfang helfen, und danach ist es nur noch eine reine Freude zu wissen, daß du neues
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