Zärtlicher Sturm
Schwester: »Ich glaube, ich habe schon genug für dich getan, meinst du nicht auch?«
Stephanie brach in ein lautes Schluchzen aus, während sie aus dem Zimmer lief und zur Treppe stürzte. Marcus schloß die Tür hinter ihr und kehrte an seinen Schreibtisch zurück. Wie sehr es ihm verhaßt war, wenn jemand sich in seine wohldurchdachten Pläne einmischte.
»Du siehst, wie leicht sich das regeln ließ«, äußerte er selbstgefällig.
Sharisse seufzte. Ihr Vater war nach wie vor das herrschende Oberhaupt, das die Gefühle anderer nicht in Betracht zog.
Sie sah ihm fest in die Augen. »Warum ist es dir eigentlich so wichtig, daß ich Joel heirate? Es kann nicht daran liegen, daß du unsere Familie mit seiner verbinden willst, denn das hat Stephanie ohnehin schon erreicht. Und er zieht offensichtlich sie vor. Was paßt dir daran nicht?«
»Du bist diejenige, die den größten Teil meines Vermögens erben wird, Sharisse. Und da dein Mann die geschäftlichen Dinge für dich regeln wird, muß es jemand sein, bei dem ich das Gefühl habe, daß er dieser Aufgabe gewachsen ist. Ich dachte, du seist so vernünftig, dir darüber im klaren zu sein.«
»Dann überlaß doch alles Stephanie«, argumentierte sie.
»Nein.«
»Warum nicht? Warum sollte ich mehr bekommen, bloß weil ich älter bin? Das erscheint mir nicht gerade gerecht.«
»Du mißverstehst mich, Rissy. Es ist nicht so, daß ich deine Schwester mittellos hinterlasse. Ich werde ihr lediglich den Besitz hinterlassen, um den man sich nicht ständig zu kümmern braucht, das ist alles.«
»Du hast also Pläne für Stephanie? Ich nehme an, du hast bereits einen Ehemann für sie ausgesucht.«
Marcus runzelte die Stirn. »Das hat keine Eile. Sie ist noch jung.«
»Und verliebt und verheiratet. Ich kann nicht einsehen, warum du es nicht einfach umgekehrt machst. Meine Güte, Pläne kann man doch ändern. Laß ihr doch die Geschäfte, um die du dir so viele Sorgen machst, und hinterlaß mir das, was du andernfalls ihr hinterlassen hättest. Dann hast du trotz allem Joel, der sich um diese Geschäfte kümmern kann, und alle sind glücklich. Warum bist du damit nicht einverstanden? Es wäre so einfach.«
»Edward will dich als Schwiegertochter und nicht deine Schwester.«
Plötzliches Verstehen trat in ihre Augen. Bruchstücke von Auseinandersetzungen, die sie als Kind mitangehört hatte, fielen ihr schlagartig wieder ein. »Es liegt daran, daß Edward meine Mutter geliebt hat, und ich erinnere ihn an sie, stimmt das?«
Als sie sein schockiertes Gesicht sah, wurde Sharisse wütend. Jetzt kannte sie endlich die Gründe für seine Hartnäckigkeit. »Ja, ich weiß es schon lange.«
»Woher?«
»Mutter und du, ihr habt Unstimmigkeiten nie leise ausgetragen, Vater, und ich kann mich erinnern, daß es in vielen eurer Auseinandersetzungen um Edward Parrington ging. Ich dachte, du seist eifersüchtig, weil er Mutter vor dir gekannt hat. Aber jetzt frage ich mich, wie viele dieser Auseinandersetzungen durch deine eigenen Schuldgefühle ausgelöst wurden, Vater.«
»Es reicht, Sharisse.«
»Nein, das glaube ich nicht«, fuhr sie fort. »Daran liegt es, das stimmt doch? Du fühlst dich immer noch schuldig, weil du sie deinem besten Freund ausgespannt hast. Und du warst bereit, deine beiden Töchter zu opfern, um diese Schuld wiedergutzumachen.«
»Das ist absoluter Unsinn!«
»Warum«, fragte sie erbittert, »hältst du dann so hartnäckig an einem Plan fest, der für Stephanie und für mich längst nicht mehr zur Diskussion steht?«
»Weil du durchaus bereit warst, Joel zu nehmen, bis deine Schwester gesagt hat, daß sie ihn haben will. Ein solcher Unsinn. Bist du nie auf den Gedanken gekommen, daß sie ihn nur haben will, weil sie dir etwas wegnehmen wollte?«
»Willst du damit sagen, daß sie ihn vielleicht gar nicht wirklich liebt?« Sharisse sah ihn finster an. Ihrem Vater war nicht bewußt, was Stephanie alles getan hatte, um Joel zu bekommen. »Nein, das kann ich einfach nicht glauben. Sie liebt ihn.«
»Sie ist noch ein Kind, Sharisse. Es mag sein, daß sie im Moment glaubt, verliebt zu sein, aber dasselbe wird sie für ein Dutzend Männer empfinden, ehe sie reif für eine Heirat ist, und das wird noch etliche Jahre dauern. Nein, ihre überstürzte Eheschließung wird rückgängig gemacht. Ich lasse mir doch von der Laune eines Kindes nicht wohldurchdachte Pläne zerstören.«
»Und du wirst es dir nicht noch einmal überlegen?«
»Nein.«
Sharisse
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