Zärtlicher Sturm
er sich in seine Wut hineinsteigern konnte. »Und es tut mir auch wirklich leid, Vater. Niemand bereut diese Dummheit mehr als ich selbst.«
Jetzt brach seine Sorge durch. »Du bist doch in Ordnung, Rissy, oder fehlt dir etwas? Ich meine, es ist doch nichts … dir ist doch nichts zugestoßen?«
Sie zögerte. »Tja …« Sie wollte ihm nichts über Lucas erzählen, wenn es nicht unbedingt sein mußte. »Nein. Ich sehe doch gut aus, oder etwa nicht?«
»Hast du dich in letzter Zeit einmal im Spiegel gesehen?« fragte er barsch.
Sharisse errötete. »Ich war länger als zwei Wochen unterwegs, Vater. Wenn ich mich erst gebadet und umgezogen habe …«
»Zwei Wochen?« rief er aus. »Wo, um Himmels willen, bist du gewesen? Die Männer, die ich engagiert habe, konnten dich nirgends finden. Zwei Wochen!«
»Ich … ich war in Arizona.«
»Das ist ja am anderen Ende des Landes! Bist du verrückt? Die Gebiete außerhalb der Staaten sind noch nicht zivilisiert. Wie bist du bloß …«
»Spielt das jetzt wirklich eine Rolle?« unterbrach sie ihn. »Ich bin wieder zu Hause.«
Marcus preßte die Lippen zusammen. Er wußte nicht mehr, wie er mit dieser Tochter umgehen sollte. So hatte er sie nie erlebt, und er hatte nicht gewußt, daß sie so war -genauso wie ihre Mutter.
Außerdem wollte Marcus es nicht auf eine neuerliche Demonstration ihrer neuentdeckten Unabhängigkeit ankommen lassen. Wie erklärte man seinem Kind, welche Qualen man durchlitten hatte, weil man nicht gewußt hatte, wo die Tochter war oder ob sie überhaupt noch am Leben war? Sie würde es nicht verstehen, nicht, ehe sie selbst Kinder hatte. Marcus wußte, daß er es nicht darauf ankommen lassen durfte, daß sie ein zweites Mal verschwand. Er hätte es einfach nicht durchgestanden, und das wußte er genau.
»Setz dich, Sharisse.« Er ging um seinen Schreibtisch herum, auf die andere Seite, auf der er sich mehr als Herr der Lage fühlte. »Ich will ein feierliches Versprechen darauf, daß du nie mehr ohne meinen Segen das Haus verlassen wirst. Du bist jetzt in einem Alter, in dem ein gewisses Maß an Freiheit denkbar ist, aber das macht dich nicht unangreifbar. Außerdem erfordert deine Herkunft ein angemessenes Verhalten, Sharisse. Alles, was sich nicht ziemt, ist eine Schande für unseren guten Namen. Habe ich dein Wort darauf?«
»Ja.«
Ihre knappe und präzise Antwort ließ Marcus nachdenklich werden. Bereute sie ihr Verhalten wirklich? Wenn ja, dann war dies ein günstiger Zeitpunkt, um festzustellen, wie weit ihre Reue ging.
»Es freut mich, daß du verständig bist, mein liebes Kind. Sicher ist es dir eine Erleichterung, wenn du hörst, daß dein Mißgeschick nichts geändert hat. Deine Hochzeit wird wie geplant stattfinden, wenn auch mit einer leichten Verzögerung.«
»Vater …«
»Ich möchte kein Wort des Widerspruchs hören«, sagte er hitzig.
»Du wirst mehr als nur ein Wort hören«, sagte sie ebenso hitzig. »Ich kann Joel nicht heiraten. Stephanie ist mit ihm verheiratet.«
Er starrte sie wortlos an.
»Frag sie doch selbst, Vater.«
Wenn es etwas gab, was Marcus absolut nicht ausstehen konnte, dann, daß er überrumpelt wurde. Seine Brauen zogen sich finster zusammen, als er mit forschen Schritten zur Tür ging, um seine jüngere Tochter herbeizuzitieren. Doch sowie er die Tür aufgerissen hatte, taumelte Stephanie ins Zimmer. Ihr war entgangen, daß ihr Vater auf die Tür zukam, an der sie gelauscht hatte. Jetzt stand sie beschämt da, weil er sie dabei ertappt hatte.
»Ist das wahr?« fragte Marcus wütend. »Bist du mit Joel verheiratet?«
Stephanie zitterte. Sie hatte es noch nie mit ihrem Vater aufnehmen können, wenn er wütend war. Sie war nicht in der Lage, ihm in die Augen zu sehen, doch sie brachte ein Flüstern heraus. »Ja.«
»Und wie das?«
Stephanie sammelte ihren Mut zusammen. »Joel hat es arrangiert. Wir … wir sind in den Norden gefahren. Wir haben in einer kleinen Kirche geheiratet … und er hat mich wieder nach Hause gebracht, ehe du vom Büro zurückgekommen bist.«
»Und das bezeichnest du als verheiratet?« schrie Marcus heraus. »Das ist ja lachhaft! Ich werde diese Ehe für ungültig erklären lassen.«
»Nein!« schrie Stephanie.
»Ich dulde keinen Trotz mehr in diesem Haus! Geh in dein Zimmer!«
Stephanie drehte sich um und wandte ihrer Schwester ihr betroffenes Gesicht zu. »Tu etwas, Rissy.«
Plötzlich fühlte sich Sharisse entsetzlich matt. Tonlos antwortete sie auf das Rehen ihrer
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