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Zaertliches Duell

Zaertliches Duell

Titel: Zaertliches Duell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georgette Heyer
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er.
    Miss Wyse ließ ihr Taschentuch sinken und sah ihn beherzt an. »Ich bin auf dem Weg nach Gretna Green!« verkündete sie. »Und nichts, was du auch sagen magst, wird mich abhalten!«
    »Bist du ganz von Sinnen?« fragte er. »Nach Gretna Green – das kommt nicht in Frage! Und wenn – was um Himmels willen kann dich bewegen, dorthin zu gehen?«
    »Ich werde dort heiraten!« sagte Miss Wyse mit verzückter Stimme.
    »O nein, das wirst du nicht!« erwiderte der Marquis eindringlich. »Obwohl es dir ähnlich sieht, alles zu dramatisieren. Falls du nach Gretna willst, dann allein!«
    Miss Wyse schrie gellend auf. »Guter Gott, was hast du vor?« rief sie, stürzte zu ihm und krallte die Hände in seinen Arm. »Granville, ich beschwöre dich, hab Erbarmen!«
    Der Marquis befreite sich und blickte sie in ehrlichem Erstaunen an. Selbst wenn man annahm, daß sie einem schweren hysterischen Anfall nahe war, war ihm ihr Gehaben unerklärlich. Eben wollte er den Grund für ihren letzten Gefühlsausbruch erfragen, als die Tür zur Gaststube aufgestoßen wurde. Ein junger Mann in einem flaschengrünen Mantel betrat das Extrazimmer, verharrte auf der Schwelle und blickte Carlington herausfordernd an.
    Sein Benehmen, nicht seine Kleidung, verriet den Soldaten. Er war ungefähr fünfundzwanzig Jahre alt, hatte ein frisches, angenehmes Gesicht mit lockigem, im Brutus-Stil gestutzten braunem Haar, wie es Mr. Brummel in Mode gebracht hatte.
    Carlington wandte den Kopf, um den Neuankömmling zu betrachten, und sagte ein wenig gereizt: »Hier, mein Bester, ist ein Extrazimmer!«
    Miss Wyse ließ Carlingtons Arm los und eilte dem Eindringling entgegen, an dessen männlicher Brust sie beinahe in Ohnmacht zu sinken schien. »Henry!« rief sie. »Das ist Carlington!«
    Henry sagte mit ernster, fast schuldbewußter Stimme: »Ich befürchtete, es könnte niemand anders sein. Ich bitte dich jedenfalls, dich nicht zu beunruhigen. Mylord, ich muß um die Vergünstigung ansuchen, mit Ihnen ein paar Worte allein zu sprechen.«
    »O nein, er wird dich töten!« zeterte Miss Wyse, ihn an den Aufschlägen seines Mantels fassend.
    Der Marquis legte eine Hand an seine Stirn. »Wer, zum Teufel, sind Sie?« fragte er.
    »Ich erwarte nicht, daß mein Name Eurer Lordschaft bekannt ist, aber ich heiße Dobell – Henry Dobell, Hauptmann bei der Infanterie, und momentan auf Heimaturlaub von Spanien. Ich weiß, daß Ihnen meine Handlungsweise tollkühn erscheinen muß; der Ungehörigkeit dieser Tat bin ich mir leider selbst schmerzlich bewußt. Dennoch, Mylord, glaube ich, sobald alles geklärt ist, muß jeder sensible Mensch naturgemäß –«
    Der Marquis stoppte diesen Redefluß mit erhobener Hand. »Hauptmann Dobell, waren Sie jemals schwer betrunken?« fragte er streng.
    »Betrunken, Sir?« wiederholte der Hauptmann verblüfft.
    »Ja, betrunken!« fuhr ihn der Marquis an.
    Der Hauptmann ließ ein Husten hören und erwiderte: »Nun, Sir, nun –! Ich möchte annehmen, daß jeder Mann zu dieser oder jener Zeit –«
    »Waren Sie’s also?« unterbrach ihn der Marquis.
    »Ja, Sir, ich war’s!«
    »Dann müssen Sie begreifen, was es bedeutet, wenn man einen Schädel hat wie ich heute morgen, und ich bitte Sie, mir langatmige Reden zu ersparen und in klaren Worten kundzutun, was Sie hier zu suchen haben!« sagte Carlington.
    Miss Wyse, die sich aus der Szene gedrängt sah, erachtete es für richtig, in diesem Augenblick einzuwerfen: »Ich liebe ihn!«
    »Du brauchst deshalb nicht so an seinem Hals zu hängen«, bemerkte der Marquis ohne Mitgefühl. »Ist er ein Verwandter von dir, den du in diese Affäre hineingezogen hast?«
    »Ein Verwandter? Nein!« rief Miss Wyse trotzig. »Er ist der Mann, den ich liebe!«
    »Der Mann, den du –?« Der Marquis hielt inne. »Guter Gott, ist das eine Entführung?«
    »Aber – aber du weißt doch, daß es so ist«, stammelte Miss Wyse.
    Der Marquis, der leicht ins Wanken geraten war, faßte sich wieder und trat auf die beiden zu. »Nein, nein, ich hatte überhaupt keine Ahnung«, sagte er. »Ich dachte – nun, egal was ich dachte – Darf ich euch meine herzlichsten Glückwünsche aussprechen? Seid ihr unterwegs nach Gretna Green? Dann möchte ich euch raten, keine Zeit zu verlieren. In der Tat, ich glaube, ihr solltet sofort aufbrechen. Ihr könntet verfolgt werden.«
    »Aber sind denn nicht Sie hinter uns her, Sir?« fragte der erstaunte Hauptmann.
    »Aber nein, keine Spur«, erwiderte der Marquis, ergriff

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