Zaertliches Duell
dessen Hand und drückte sie überschwenglich. »Sie haben nichts in aller Welt von mir zu befürchten, mein lieber Freund. Ich wünsche euch jedes erdenkliche Glück!«
»Jedes erdenkliche Glück?« rief Miss Wyse entrüstet aus. »Hast du vergessen, daß ich mit dir verlobt bin, Carlington?«
»Du wirst mit Henry viel glücklicher sein«, versicherte der Marquis.
»Die Anzeige steht in der heutigen ›Gazette‹!«
»Miß dem keine Bedeutung bei! Kann denn eine bloße Zeitungsanzeige ein Hindernis auf dem Pfad wahrer Liebe sein?« fragte der Marquis. »Ich werde sie unverzüglich dementieren. Überlaß nur alles mir.«
»Willst du mich denn nicht heiraten?« hauchte Miss Wyse.
»Nicht im – nicht, wenn dein Herz einem andern gehört!« sagte Seine Lordschaft mit Aplomb.
»Aber Mama sagte – und auch deine Mama –, daß ich dich erhören müsse, weil du so schrecklich in mich verliebt bist – so hieß es doch all die Jahre! Doch dann merkte ich, daß ich es nicht aushalten würde, und ich schickte nach Henry und –«
»Sehr gut und zweckmäßig«, pflichtete Seine Lordschaft bei. »Natürlich wäre es wünschenswerter gewesen, du hättest nach Henry gesandt, ehe ich die Anzeige für die ›Gazette‹ verfaßte, aber das ist ja nun egal. Vor allem duldet diese Reise keinen Aufschub.«
Der Hauptmann, der Seine Lordschaft entgeistert angestarrt hatte, sagte nun mit bewegter Stimme: »Sir, Ihre Großzügigkeit ehrt Sie! Eine Erklärung für ein Verhalten, das Sie als treulos werten müssen, ist fällig.«
»Nein, nein, erklären Sie mir bitte nichts«, bat der Marquis. »Wissen Sie, mein Kopf ist noch nicht ganz klar. Laßt mich euch zur Kutsche bringen.«
Der Hauptmann, der sich zur Tür gedrängt sah, sträubte sich und rief: »Wir hielten hier an, um zu frühstücken, Sir!«
»Gar nicht daran zu denken!« sagte Carlington bestimmt. »Jeden Augenblick kann man euch einholen und Fanny aus Ihren Armen reißen. Sie müssen so rasch als möglich nach Gretna!«
Der bloße Gedanke, den Armen des Hauptmanns entrissen zu werden, bewog Miss Wyse, ihre Bitten dem Drängen Seiner Lordschaft anzuschließen. Hauptmann Dobell, noch immer schwach protestierend, wurde geradezu aus dem Wirtshaus gefegt, wobei man ihm hastig erklärte, es sei jetzt nicht die Zeit, an Speise und Trank zu denken, und schon war er in der Kutsche. Er unternahm einen zweiten Versuch, Carlington die Entführung zu erklären, aber auf einen Wink des Marquis hieben die Postillione auf ihre Pferde ein, und der Wagen rollte die Straße hinunter. Der Hauptmann hing aus dem Fenster und rief dem Marquis eine letzte Botschaft zu, von der diesen nur die Worte »unaufhörliche Dankbarkeit« und »ewig verbunden« erreichten.
Der Marquis kehrte in das Wirtshaus zurück und ging durch die Gaststube in das Extrazimmer. Miss Morland war aus dem Schrank geklettert und stand am Tisch, mit Mühe ein Lachen verbeißend. Der Marquis fragte: »Haben Sie zugehört, Helen?«
Sie nickte. »Ja, ich konnte es nicht verhindern«, antwortete sie mit einem leichten Zittern in ihrer sonst so ruhigen Stimme.
»Wir müssen sofort nach London zurück«, sagte der Marquis.
»Ja«, stimmte Miss Morland zu.
»Erstens«, bemerkte der Marquis, »möchte ich mich umkleiden, und zweitens war dieser Plan mit Gretna barer Unsinn. Ich habe nicht die Absicht, in Gesellschaft dieses Paars zu heiraten. Wir brauchen eine Sondergenehmigung.«
»Aber wir werden doch gar nicht heiraten«, sagte Miss Morland. »Es war doch alles nur Scherz. Ich war verrückt – ich hatte niemals vor, mit Ihnen zu kommen.«
»Sie mußten mit mir kommen«, antwortete der Marquis. »Ich gewann Sie, und Sie sind mein.«
Miss Morland bebte ein wenig. »Aber –«
»Ich war seit Monaten in Sie verliebt, und das wissen Sie!« sagte der Marquis.
»Oh«, seufzte Miss Morland schwach. »Ich dachte wohl manchmal, daß Sie mir gegenüber nicht – nicht gleichgültig sind, aber wirklich – wirklich, das ist unmöglich!«
»Wirklich?« fragte der Marquis grimmig. »Wir werden ja sehen!«
Es schien Miss Morland, daß er plötzlich auf sie zustürzte und sie nicht mehr ausweichen konnte. Er umarmte sie so heftig und küßte sie so leidenschaftlich, daß ihr zu einem Protest jeglicher Atem fehlte. Schließlich hielt der Marquis inne, zeigte aber nicht die leiseste Neigung, sie freizugeben. Er blickte ihr in die Augen und sagte mit furchteinflößender Stimme: »Nun? Wirst du mich heiraten?«
Derartig
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