Zärtlichkeit des Lebens
Sarah zu schmecken.
7
Dallas öffnete ein Auge, schaute verdrossen auf die Sonne, die gleißend durch das vorhanglose Fenster schien, und warf einen wütenden Blick auf den Wecker neben dem Bett.
»Scheiße.« Mit dem Vorsatz, beides nicht zu beachten, drehte sie sich auf die andere Seite.
»Hey, Dallas«, brummte Dennis Houseman und schob ihren spitzen Ellbogen von seinen Rippen. »Paß doch auf.«
Gähnend stützte sie sich auf die Unterarme und schaute ihn an. Dennis Houseman ging auf die Vierzig zu und hatte das, was sie als perfekte graumelierte Schläfen bezeichnete. Sein Gesicht war gut anzusehen, nicht berauschend, aber zweifellos gut geschnitten mit der eckigen, verläßlichen Kinnpartie und der breiten Stirn. Selbst im Schlaf, ohne seine Hornbrille, sah er wie ein Wirtschaftsprüfer aus, fand Dallas. Sie bezeichnete ihn als einen ihrer Liebhaber auf Abruf, weil sie für einen gemeinsamen Restaurant- oder Kinobesuch oder eine Liebesnacht immer mit Dennis rechnen konnte. Was ihn allerdings von ihren anderen Liebhabern auf Abruf unterschied, war die Tatsache, daß er sie heiraten wollte und sie deswegen in regelmäßigen Abständen befragte. Obwohl sie nicht beabsichtigte, ihm nachzugeben, mochte sie ihn gern. Während der Steuersaison schliefen sie drei- oder viermal im Monat miteinander und doppelt so oft in der Zwischenzeit. Nach dieser Methode verfuhren sie schon seit drei Jahren, was Dallas’ Sinn für Humor noch immer ansprach.
Er war weder der jüngste der Männer, mit denen sie sich traf, noch der bestaussehendste oder der witzigste – und auch nicht der tollste Liebhaber. Trotzdem war er ihr Favorit. Als sie jetzt auf ihn hinunterschaute, mit seiner vom Schlaf zerknautschten Wange und den über Nacht gesprießten Bartstoppeln am Kinn, versuchte sie den Grund dafür herauszufinden. Bei ihm stieg sicherlich nicht ihr Blutdruck wie bei Evan Gibson. Und er war auch kein so erfahrener Liebhaber wie der junge italienische Kranführer, mit dem sie vorige Woche Langustini und Leidenschaft geteilt hatte. Er verfügte weder über den I.Q. noch über den Körperbau des EDV-Assistenten; aber er war, dachte Dallas, als sie sich eine Locke von den Augen pustete, zuverlässig… und einfach goldig. In einer Anwandlung von Zuneigung beschloß Dallas, ihn zu wecken. Sie rollte sich auf ihn und biß ihn in die Schulter.
»Himmel!« Er riß die Augen mit einem zugleich verschleierten und überraschten Blick auf. »Dallas, was zum Teufel…«
Sie erstickte seine Beschwerde mit einem langen, leidenschaftlichen Kuß. Er grunzte ein wenig, als ihre Zunge seine Lippen nachstreichelte, dann wanderten seine Hände zu ihren flachen Pobacken. Schon war er steif, noch ehe er ganz wach war.
»Guten Morgen.« Sie löste den Mund von dem seinen und lächelte. Ihr eckiges Gesicht war blaß ohne Makeup und ihr Haar zerzaust. Nackt bestand ihr Körper mit den Brüsten einer Zwölfjährigen aus lauter Ecken und geraden Linien. Dennoch hielt Dennis, wie eine erhebliche Zahl anderer Männer, sie für eines der sexuell attraktivsten Geschöpfe, die er je gekannt hatte.
Ihre Anziehungskraft resultierte zum Teil aus ihrem völligen Mangel an Hemmungen und kleinlichen Bedenken. Er war bis über beide Ohren in sie verliebt, aber realistisch genug zu erkennen, daß er sie nicht würde halten können. Außerdem riet ihm seine Vorsicht, seine Gefühle ihr gegenüber nicht gänzlich zu offenbaren. Denn er wußte, daß sie sich nicht mehr mit ihm treffen würde, wenn sie Bescheid wüßte.
»Wieviel Uhr ist es?« fragte er. Er ließ die Hand ihren Rücken hinauf wandern, dann wieder hinab. Dallas schmiegte sich an ihn.
»Der Wecker läutet in einer Viertelstunde.« Der Geruch ihrer gemeinsamen Nacht haftete noch auf seiner Haut. Sie biß ihm in die Lippen, dann streichelte sie ihm die Lenden. »Ich habe Sarah versprochen, daß ich sie heute früh zum Flughafen bringe.«
»Sarah?« Er fühlte sich träge und warm und knetete weiter ihren Po.
»Die Architektin von schräg gegenüber, von der ich dich fernhalte, weil du ihr sonst verfallen und mich aus dem Fenster schmeißen würdest.«
»Von wegen! Wenn du mich heiraten würdest, müßtest du dir keine Sorgen wegen Sarah von schräg gegenüber machen.«
Dallas erkannte seine ernste Absicht, obwohl er sich um einen fröhlichen Ton bemüht hatte. Einen Augenblick lang vergrub sie, von Bedauern überflutet, das Gesicht in seiner Halsbeuge.
Der Mann taugt doch etwas. Was zum Teufel
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