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Zärtlichkeit des Lebens

Zärtlichkeit des Lebens

Titel: Zärtlichkeit des Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Roberts
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einem letzten Schluck stellte Sarah das Glas an der Bar ab. Da sie spürte, daß er an Zuvorkommenheit gewöhnt war, milderte sie ihren ausdrücklichen Wunsch durch ein Lächeln ab. »Hoffentlich haben Sie Zeit, die Entwürfe, die ich mitgebracht habe, ausführlich zu besprechen. Ich glaube, es ist etwas dabei, was Ihren Vorstellungen entspricht. Ehe ich detailliertere Vorschläge ausarbeiten kann, muß ich mir erst einmal das Grundstück ansehen. Könnten Sie mich jetzt hinführen, Mr. Reed?«
    »Nennen Sie mich doch Harrison«, bat er sie. Und beschloß unverzüglich, an der Gestaltung seines Gästehauses aktiv mitzuwirken.
    Jenseits der sanft abfallenden Hügel, am rötlichen Tennisplatz vorbei, außer Sichtweite des runden Swimmingpools und kurz vor den Stallungen befand sich ein schmaler, von einem Orangenhain umgebener Fleck Erde. Sarah ging, die Hände in den Taschen, mit zusammengekniffenen Augen über das Gras und konzentrierte sich darauf, auf dem leeren Platz das Bild eines Gästehauses vor sich aufsteigen zu lassen. Im Augenblick war Harrison Reed völlig vergessen. Sie konnte das Haus schon vor sich sehen und wußte, daß sie an ihren ursprünglichen Zeichnungen nur einige wenige Änderungen vornehmen mußte.
    Harrison beobachtete sie. Er erkannte, daß er mit seinem ersten Eindruck, sie sei bloß jung und gutaussehend, falsch gelegen hatte. Sie wußte, was sie wollte. Er rief sich ins Gedächtnis zurück, daß sie für Max arbeitete. Max stellt seine Leute weder nach Alter noch nach Aussehen ein, sinnierte er, sondern nach Köpfchen. Trotzdem grinste er angesichts des hüftlangen Haars und ihrer schlanken Figur. Dieser alte Halunke merkt wahrscheinlich gar nicht, was für einen fantastischen Hintern sie hat.
    Sarah ging weiter über das Grundstück, ohne Harrison Beachtung zu schenken. Sie konnte spüren, wie aus der Gewißheit, daß sie den leeren Platz umformen konnte, ohne ihn in seiner Eigenart zu zerstören, Aufregung in ihr erwuchs. Das vordere Fenster würde der Abendsonne wegen nach Westen gehen, die Küche nach Osten, damit sie Morgensonne abbekam, beschloß sie.
    Harrison.
Zum erstenmal seit zehn Minuten nahm Sarah ihn hinter sich wahr. Hoffentlich konnte sie ihn davon überzeugen, daß er keine Basilika hinzustellen brauchte, um seine Bedeutung zu beweisen.
    »Ich kenne Leute, die für ein solches Fleckchen einen Mord begehen würden. Ich gehöre dazu«, meinte sie.
    Er folgte ihrer ausladenden Armbewegung. Sie sah, daß die Falten um seine Augen im Sonnenlicht deutlicher zutage traten, aber in seinem Haar zeigten sich nur wenige graue Strähnen.
    »Eigentlich hat mich meine dritte Frau, die mich vor kurzem verlassen hat, davon überzeugt, daß sich dieser Platz am besten für ein Gästehaus eignet.«
    Aus dem Zynismus in seiner Stimme folgerte Sarah, daß verlassen getrennt und nicht gestorben bedeutete. »Dann haben Sie wenigstens einen Grund, ihr für etwas dankbar zu sein.«
    Bei dieser trockenen Bemerkung schaute Harrison sie kurz an, dann begann er zu lachen. »Es gibt wahrscheinlich noch andere.«
    Sarah hakte sich bei ihm unter und deutete auf das Grundstück. »Es ist ideal, Harrison. Sehen Sie das auch so? Ein kleiner Schlupfwinkel aus alten Ziegeln mit einer überdachten Veranda und einem gepflasterten Hof auf der Rückseite.
    Viele kleine Schiebefenster, weiße Schindeln auf dem Dach.
    Rauch steigt aus dem Schornstein auf. Und innen drin Eichenfußböden und unverputzte Balken; kleine, ansprechende Zimmer mit viel Sonnenlicht. Ein steinerner Kamin mit einer erhöhten Feuerstelle an der Nordseite.« Beim Sprechen hob Sarah die Augen. Er folgte den Gesten ihrer freien Hand, aber sein Gesichtsausdruck verriet ihr, daß er alles andere als überzeugt war.
    »Klingt ein bißchen simpel.«
    »Nicht simpel, Harrison«, verbesserte sie ihn und schaute ihm voll ins Gesicht. »Es gibt doch bestimmt viel Anspannung in Ihrem Beruf, im Leben Ihrer Bekannten. Manchmal heißt die Antwort darauf, all das vergessen und sich für etwas Ursprüngliches und Unkompliziertes begeistern zu können.«
    Prüfend sah sie ihn mit ernsten Augen an. »Sie kennen viele Leute, die beständig von Luxus umgeben sind. Sie könnten ihnen etwas anderes bieten.«
    Harrison schaute sie wortlos an, dann meinte er nachdenklich:
    »Zeigen Sie mir Ihre Skizzen.«
    Sarah lachte – und schwelgte bereits in ihrem Siegesgefühl.
    Später stand Sarah barfuß auf einem rosepinkfarbenen Teppich und versuchte, das farblich

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