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Zärtlichkeit des Lebens

Zärtlichkeit des Lebens

Titel: Zärtlichkeit des Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Roberts
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Im Westen verweilten noch Sterne. Sie öffnete das Fenster, ließ den Morgen herein und fühlte sich hellwach und zufrieden. Vor zehn Minuten hatte das Telefon sie aus dem Tiefschlaf gerissen. Das Ersatzteil war eingetroffen, und Lafitte stand schon auf der Baustelle und beaufsichtigte die Reparatur. Sie konnten die Arbeit mit einer nur geringfügigen Unterbrechung fortsetzen. Sarah atmete tief und erleichtert auf, ehe sie sich unter die Dusche stellte. Als Dampf um sie herum aufstieg, dachte sie über den vergangenen Abend mit Januel nach.
    Während des Essens war Januel ihr distanziert und geistesabwesend erschienen. Sarah hatte sich gefragt, ob seine Reserviertheit von ihrem Streit im Büro oder von Byrons Anwesenheit herrührte. Sie hatte gespürt, daß er Byron nicht ausstehen konnte und fragte sich jetzt, ob das private oder geschäftliche Gründe hatte.
    Nachdenklich drehte sie die Dusche ab und griff nach einem Handtuch. Ich mag Byron, dachte sie. Mich beunruhigt nur seine körperliche Anziehungskraft. Seine Anziehungskraft auf mich, gestand sie sich ein und erinnerte sich wieder an jenes Gefühl, das sie überkommen hatte, als sich ihre Blicke im Schlafzimmerspiegel begegnet waren. Es hat keinen Sinn, es zu leugnen. Aber wir werden noch lange Zeit zusammenarbeiten.
    Ich darf dem einfach keine Beachtung schenken.
    Noch nackt und vom Duschen feucht ging Sarah zurück ins Schlafzimmer. Mit schnellen, geübten Handgriffen flocht sie sich ihr Haar zu einem dicken Zopf und ließ ihn auf den Rücken herunterbaumeln.
    Heute vormittag, beschloß sie, führe ich ihn durch das Kulturzentrum. Ich möchte seine Meinung dazu hören. Und am Nachmittag, dachte sie, während sie sich ein T-Shirt überstreifte, übergebe ich ihn an die Bürohengste. Da sollte er mir eigentlich nicht mehr in die Quere kommen.
    Sie schaute auf die Uhr – halb acht. Na, wenn er jetzt nicht auf ist, wird es höchste Zeit. Mit einer Ledertasche von der Schulter baumelnd spazierte Sarah zu Zimmer 816.
    Byron hörte das Klopfen, als er sich die letzten Spuren Rasierschaum wegspülte.
»Entréz!«
rief er und langte nach einem Handtuch. Während er sich einen Bademantel anzog, fuhr er auf französisch fort. »Stellen Sie es auf den Tisch«, ordnete er an. Dann knotete er sich den Gürtel zu und Sarah kam ins Zimmer.
    »Morgen, Byron.« Sarah lächelte ihn freundlich an. »Was soll ich abstellen?«
    »Zuallererst eine Kanne Kaffee.«
    »Tut mir leid, ist gerade ausgegangen«, gab Sarah zurück.
    »Ich wußte gar nicht, daß Sie Französisch sprechen.«
    »Nur ein paar Brocken. Sie stehen früh auf.« Er drehte sich um und verschwand im Schlafzimmer.
    »Ich fahre gern zeitig auf die Baustelle und dachte, ich könnte Sie vielleicht mitnehmen.« Sarah schlenderte im Zimmer umher und legte ihre Tasche auf einen Stuhl. Byron war verschwunden.
    »Haben Sie schon gefrühstückt?«
    »Ich frühstücke nie.« Sarah ging ans Fenster und verglich die Aussicht von hier mit der von ihrem Zimmer aus.
    »Ich schon.«
    Angesichts seiner entschiedenen Feststellung krauste sie die Nase. »Ist gut, ich warte, solange es sich nicht um ein Fünf-Gänge-Menü mit Cognac, Kaffee und Zigarren handelt. Jetzt kommt es wohl«, meinte sie, als es klopfte.
    »Den Kaffee könnte ich schon gebrauchen.«
    »In Ordnung, sofort.« Nachdem sie den Zimmerkellner angewiesen hatte, das Tablett dazulassen, goß Sarah den Kaffee ein. »Schwarz«, sagte sie, als sie ins Schlafzimmer hinüberging.
    »Er schaut aus, als ob man Tote damit zum Leben erwecken könnte.«
    Mit nacktem Oberkörper stand er neben dem Bett, die auf den Hüften sitzende Jeans lag eng an. Er war braun gebrannt nicht einmal am Jeansansatz zeigte sich ein weißer Streifen. Die dichte, dunkle Brustbehaarung verschmälerte sich zur Taille hin.
    Bei aller Schlankheit waren seine Arme sehr muskulös. Wo Januel schlank war, wirkte Byron hager. Er hatte den durchtrainierten Körper eines Athleten.
    Sie ging zu ihm und streckte ihm die Tasse entgegen. »Bitte«, sagte sie, wobei sie sich verzweifelt um einen unbefangenen Tonfall bemühte.
    Byron hielt in einer Hand ein Jeanshemd und nahm mit der anderen den Kaffee. Ohne den Blick von ihr zu wenden, hob er die Tasse und trank.
    Was würde wohl passieren, dachte sie, wenn ich noch einen Schritt weiterginge?
    »Warum probieren Sie es nicht aus?« schlug Byron vor.
    Verärgert darüber, wie leicht er ihre Gedanken hatte lesen können, drehte sich Sarah um und verließ das Zimmer.

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