Zärtlichkeit, die du mir Schenkst
und Empörung. Ihre eigenen Probleme waren klein im Vergleich zu denen all dieser armen Siedler, und Rafe hätte ihnen helfen sollen, statt ihnen das Leben noch zu erschweren.
»Ich bin mir nicht sicher, ob mit diesem Baby alles in Ordnung ist«, bekannte Phoebe Anne. »Es bewegt sich nicht wie sonst, und es hätte schon da sein müssen.«
Concepcion schob den Korb zu Phoebe Anne und zog das blau-weiß karierte Tuch herunter. »Sie müssen einen Arzt aufsuchen«, erklärte Concepcion, als Phoebe Anne näher trat und in den Korb spähte, der einen großen Schinken und unter anderem eine Vielzahl von Eingemachtem enthielt.
»Dafür haben wir kein Geld«, gab Phoebe Anne zurück. Sie scheute sich jetzt nicht, in dem Korb zu wühlen, neugierig wie ein Kind zu Weihnachten. Da gab es ein ganzes gebratenes Hähnchen, eingewickelt in Servietten, und bei dem Anblick schnappte sie vor Freude nach Luft. »Haben Sie Hunger?«, fragte sie und blickte von Concepcion zu Emmeline.
Beide Frauen schüttelten den Kopf, und Phoebe Anne biss sofort in einen Hähnchenschenkel.
»Ich glaube, der Doc würde mit seiner Bezahlung warten«, drängte Concepcion freundlich.
»Und wie käme ich dorthin?«, wollte Phoebe Anne zwischen zwei Bissen wissen. »Seth hat im vergangenen Herbst unser Gespann und den Wagen verkauft.« Ihr war anzusehen, dass ihr erst jetzt auffiel, dass Emmeline und Concepcion standen. »Wo sind meine Manieren?«, meinte sie verlegen und wies auf die Kisten. »Mama würde mich erschießen. Bitte, nehmen Sie Platz.«
Emmeline und Concepcion setzten sich. Phoebe Anne hockte sich auf die Bettkante. Sie wirkte mehr wie ein Kind, nicht wie eine erwachsene Frau. Hin und wieder warf sie einen besorgten Blick zur Tür; vermutlich erwartete sie ihren Mann.
»Ich fahre Sie zur Stadt«, erklärte Concepcion entschlossen. »Und ich werde dem Doc die Situation darlegen.«
Phoebe Anne biss sich auf die Unterlippe und blickte wieder zur Tür. »Seth hält nicht viel von Almosen«, wandte sie leise ein.
»Der Teufel soll Seth und seinen dummen Stolz holen!«, schimpfte Concepcion. »Er sollte selbst zum Doc gehen.«
Phoebe Annes Augen weiteten sich; vielleicht hatte sie Concepcion nie so ärgerlich gesehen. Emmeline hatte sie auch noch nicht so erlebt, und sie war fasziniert. Sie empfand wachsende Bewunderung für ihre Freundin. »Er hatte eine Stinkwut, nachdem Sie uns vor zwei Wochen, vor dem großen Gewitter, dieses Essen gebracht hatten. Er meinte, er sollte sich eine Kugel in den Kopf jagen, weil er zu nichts taugt, sagte, ich hätte eine Chance, mir einen richtigen Mann zu nehmen, wenn er aus dem Weg wäre.«
Emmeline drehte sich der Magen um. Und als sie zu Concepcion blickte, sah sie, dass ihre Freundin sich ebenso unwohl fühlte.
»Sie glauben doch nicht, dass es ihm ernst damit war«, entgegnete Concepcion.
Phoebe Annes Miene war ausdruckslos. Sie schaute auf den Hähnchenschenkel, den sie bereits praktisch abgeknabbert hatte, und warf ihn dann in die kalte Feuerstelle. »Seth hat in letzter Zeit Depressionen. Er sagt, er hätte uns nicht hierher bringen sollen. Wir hätten in der Heimat, in Iowa, bleiben und seinen Verwandten helfen können, denkt er. Da gab es wenigstens immer genug zu essen, denn sie haben einen großen Garten und Schweine.«
»Es hat keinen Sinn, Vergangenem nachzutrauern«, erwiderte Concepcion. »Vielleicht können Sie und Seth nach Iowa zurückkehren, wenn erst das Baby da ist.«
Emmeline schloss die Augen. Sie war keine Hellseherin, doch in diesem Augenblick spürte sie, dass eine Tragödie bevorstand, so sicher wie der morgige Sonnenaufgang.
»Das wollte ich eigentlich«, bekannte Phoebe Anne traurig. »Ich dachte, wir können Pa und Ma wegen des Fahrgeldes schreiben und einfach mit dem Zug heimfahren, doch Seth will seinen Verwandten nicht unter die Augen treten, nachdem wir hier so gescheitert sind.«
»Warum kommen Sie nicht einfach mit, wenn wir gleich zur Ranch zurückfahren?«, fragte Concepcion, und ihr Tonfall verriet nichts von der Besorgnis, die Emmeline in ihren Augen sah. »Wir fahren dann am Morgen zusammen in die Stadt. Sie können zum Doc gehen, und ich schicke ein Telegramm an Seth' Verwandte; ich teile ihnen nur mit, dass das Leben hier wirklich hart ist und Sie heimkehren möchten. Wenn die Verwandten Sie haben wollen - und dessen bin ich mir sicher werden sie vermutlich sofort zurücktelegrafieren. Sie können dann das Telegramm Seth zeigen. Wenn er weiß, dass ein
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