Zahltag
bitte.“
„Ok ay.“ Der junge Mann am Schalter sah in seinen Computer und teilte ihm dann mit, dass erst in drei Stunden der nächste Zug ging.
Wolfgang kaufte sich ein Ticket und wartete in der Halle. Unzählige junge Leute tummelten sich hier. Es war Freitag und die Studenten wollten wahrscheinlich übers Wochenende nach Hause.
Die Fahrt verging langsam. Die Stunden zogen sich hin. Während der Fahrt suchte Wolfgang im Internet nach der Pension Wildes Pferd und mietete sich ein Zimmer. Es war noch ein Einzelzimmer für 39 Euro ohne Frühstück verfügbar. Dann kam Wolfgang plötzlich ein ganz anderer Gedanke. Wie sollte er diesen Mann töten? Er hatte keine Waffe. Verdammt. Wie sollte er nur an eine Waffe kommen, geschweige denn ihn töten? Es verschwamm alles in seinem Kopf. Er sah nur noch das Bild seines Sohnes. Er musste ihn retten, das war er ihm doch schuldig. Er war schließlich sein Vater. Jeder Vater würde das tun.
Moldawien — Februar 2002
Thomas Krieg saß mit seiner Tochter Anna in dem kleinen Zimmer, das er zugeteilt bekommen hatte. Er war als Arzt drei Monate in Kischinau stationiert. Obwohl er seit einem Jahr alleinerziehend war, wollte er seine Karriere und seine Tochter unter einen Hut bringen. Seine Frau Rose war bei einem Autounfall ums Leben gekommen und er kümmerte sich nun alleine um seine vierjährige Tochter Anna, die sein ganzer Stolz war. Er war bereits mit ihr in Serbien und Jugoslawien gewesen. Nachdem er seine Assistenzarztzeit abgeschlossen hatte, wollte er für einige Jahre hilfsbedürftigen Menschen helfen. So ging er zu ‚Ärzte ohne Grenzen’ und war vor einigen Wochen in Moldawien gelandet. Seine Tochter lebte sich schnell ein und es gab Kindergärten und Schulen für die Angehörigen der Ärzte — sehr gute deutsche Schulen sogar. Er war erschüttert von der Kinderarmut in diesem Land und hoffte, mit seinem Aufenthalt etwas bewirken zu können. Es war eiskalt im Moment und erst in zwei Tagen würden sie wieder auf die Straße gehen und Kinder mit dem Nötigsten versorgen. Er war sich nicht zu schade für diese Aufgabe. Sie hatten hier einfach zu wenig Personal, deshalb ging er auch selber nach draußen und besuchte die unzähligen Straßenkinder.
Heute — Ein Jahr nach der Entführung
Wolfgang lag auf seinem Bett in der Pension Wildes Pferd . Er hatte sich am Empfang nach Jefim Sorokin erkundigt. Bereitwillig nannte ihm die Angestellte die Zimmernummer des Mannes. Es lag in seinem Stockwerk. Es war ungewöhnlich einfach, an diese Information zu kommen. Wolfgang hätte das nicht erwartet. Er hatte also die Zimmernummer — und nun? Würde er diesen fremden Mann wirklich töten? Er wusste nicht einmal warum. Heute würde er nichts mehr unternehmen können, also nahm er eine Kopfschmerztablette und versuchte zu schlafen, doch seine Gedanken kreisten um seinen Sohn und um seine verstorbene Frau. Er drehte sich von einer auf die andere Seite und fand keinen Schlaf. Sein Sohn war ihm alles wert, das hatte er schon einmal bewiesen. Doch dieses Mal wäre es etwas anderes, etwas Illegales. Es wäre Mord. Geplanter Mord. Er würde lebenslänglich für diese Tat bekommen. Würde er seinen Sohn überhaupt wiedersehen? Sollte er nicht doch lieber zur Polizei gehen? Er regte sich in Filmen immer furchtbar über die Menschen auf, die ohne die Polizei handelten. Sie kamen nie weiter, sondern gerieten immer mehr in Schwierigkeiten. Er würde darüber nachdenken und eventuell zur Polizei gehen. Nach diesem Entschluss konnte er endlich ein wenig schlafen. Er hatte immer noch die Möglichkeit sich Hilfe zu holen.
Um fünf Uhr lag Wolfgang schon wieder wach. Er hatte Kopfschmerzen und sein Mund war trocken. Er brauchte etwas zu trinken, doch er wollte das Zimmer nicht verlassen. Er trank aus dem Wasserhahn. Das kalte Wasser tat gut. Es rann ihm die Kehle hinunter und er spürte es in seinem Magen. Er hatte seit Stunden nichts Richtiges mehr gegessen, sein Magen knurrte, doch er würde sowieso nichts runterbekommen. Plötzlich wusste er, dass er es alleine durchziehen musste. Die Polizei würde ihm nichts bringen. Der Typ hatte es auf ihn abgesehen. Egal was er gegen ihn hatte, er würde es bis zum Ende durchziehen. Alexander war seit einem Jahr in seiner Gewalt. Niemand suchte mehr wirklich nach ihm. Die Polizei tappte völlig im Dunkeln. Der Typ meinte es ernst. Er verfolgte einen Plan und Wolfgang würde das Spiel mitspielen — koste es, was es wolle. Er
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