Zahltag
leeren Straßen fahre. Dabei werde ich ohnehin in Kürze
erfahren, wer der Tote ist und wie er finanziell dasteht.
Die Ejialias-Straße ist zwischen Theotokopoulou- und
Paradissou-Straße gesperrt. Ich ersuche einen uniformierten Kollegen, die
Absperrung zu öffnen, die den Zugang zur Theotokopoulou blockiert, damit ich
gleich vor Ort parken kann.
Kaum hat Vlassopoulos mich erblickt, eilt er auf mich zu. »Der Tote
ist ein gewisser Theodoros Karadimos«, berichtet er. »Ihm gehört das private
Berufsbildungsinstitut Progress in der dritten Etage. Was dort genau
unterrichtet wird, kann ich erst sagen, wenn die Lehrer eingetroffen sind.«
»Gib den Kollegen Bescheid, dass man die Angestellten durchlässt,
damit ich mit ihnen sprechen kann. Wo ist das Personal, das ihn gefunden hat?«
»Es sind drei Putzfrauen. Sie warten im Hauptgebäude auf die
Befragung.«
Ich lasse Vlassopoulos zurück und gehe mir das Opfer genauer anschauen,
das an der Ecke Theotokopoulou- und Ejialias-Straße auf der Seite des
Griechischen Reitsportvereins aufgefunden wurde. Der Tote liegt bäuchlings auf
einer quadratischen Grünfläche vor dem Eingang eines jener großen Bürogebäude,
welche die ganze Ejialias-Straße säumen. Die Pfeilspitze hat sich von hinten
durch das Jackett auf der Seite des Herzens in die Schulter gebohrt. Das
Gesicht des Opfers kann ich nur im Profil erkennen. Er ist ein dunkler Typ um
die fünfzig mit dichtem schwarzem Haar und einem kräftigen Schnurrbart.
[325] »An der Identität des Täters besteht ja wohl kein Zweifel«, höre
ich eine Stimme hinter mir sagen.
Als ich mich umwende, erblicke ich Stavropoulos. »Nein, an der
Substanz an der Pfeilspitze auch nicht.«
»Wohl kaum. Ich lade ihn in den Krankenwagen und mache mich auf den
Weg. Dafür hätte ich mich also wirklich nicht im Morgengrauen hierherquälen
müssen.«
»Den Todeszeitpunkt wüsste ich gern, mehr nicht.«
»Ich melde mich bei Ihnen.«
Eigentlich braucht man keine Autopsie, um sich den Tathergang
zusammenzureimen. Der nationale Steuereintreiber hat in dem Moment auf
Karadimos gezielt, als der auf dem Nachhauseweg war und dem Bürogebäude den
Rücken zugekehrt hatte.
Ein paar Schritte weiter stoße ich auf eine Straße, die am
Griechischen Reitsportverein entlangführt. Vermutlich war er von dort gekommen,
hatte sein Motorrad in der Nähe abgestellt, an der Straßenecke Position bezogen
und gewartet, bis Karadimos das Gebäude verließ. Die Straße muss abends, wenn
die Büros leer sind, vollkommen verwaist sein. Auch im Reitsportverein werden
dann keine Besucher mehr sein. Der nationale Steuereintreiber ist erneut
umsichtig vorgegangen und hat sein Opfer in dem Augenblick erwischt, als es aus
dem Bürogebäude trat.
Ich wende mich meinen beiden Assistenten zu, die sich mit Dimitriou
unterhalten. »Hier draußen sind kaum Spuren zu erwarten«, sage ich. »Schaut
euch lieber, wenn die Lehrkräfte eintreffen, die Büros des
Berufsbildungsinstituts genauer an.«
Eiligen Schrittes und alarmiert um sich blickend nähern [326] sich eine
junge Frau und ein Mann, die uns wie gerufen kommen. Sie erkundigen sich bei
einem uniformierten Kollegen, was passiert sei, worauf er sie zu mir
weiterschickt.
»Arbeiten Sie hier?«, frage ich sie.
»Ja, im Berufsbildungsinstitut Progress«, erwidert der junge Mann.
»Auf Ihren Chef ist ein Mordanschlag verübt worden«, erläutere ich
ihnen. »Gehen Sie in Ihre Büros und warten Sie dort auf uns. Bitte fassen Sie
nichts an.«
Sie wechseln einen entsetzten und bangen Blick und steuern dann auf
den Eingang zu. Zunächst hat für mich die Aussage der Putzfrauen Vorrang, die
den Toten entdeckt haben. Dass es sich um Migrantinnen handelt, erkennt man auf
den ersten Blick. Sie haben vor dem Fahrstuhl Aufstellung genommen, und
Vlassopoulos lässt sie von einem uniformierten Beamten bewachen – für den Fall,
dass sie illegal im Land sind und sich aus Angst vor den Behörden aus dem Staub
machen wollen.
»Aus welchem Land kommen Sie?«, frage ich.
»Georgien«, antwortet eine großgewachsene, dunkelhaarige
Vierzigjährige.
»Wann beginnen Sie morgens hier zu arbeiten?«
»Sechs Uhr.«
»Wie kommen Sie rein? Haben Sie einen Schlüssel?«
»Nein, Tür geht sechs Uhr allein auf«, erwidert die Zweite, die
mittelgroß ist und ein Kopftuch trägt.
»Erzählen Sie mir, was Sie gesehen haben.«
»Mann liegt mit Gesicht nach unten, und in seinem Rücken –« Sie
sucht nach dem treffenden
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