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Zahltag

Zahltag

Titel: Zahltag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petros Markaris
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verdanken, dass unser Kind bei uns bleibt!«, wettert sie.
    Am Anfang wusste sie nicht, was sie für ihn kochen sollte. Da sie
Sissis noch nie gesehen hat, kennt sie auch seine kulinarischen Vorlieben
nicht. Deshalb suchte sie bei mir Rat, doch auch ich habe nie bei ihm gegessen
und demzufolge auch keine Ahnung, was ihm schmeckt.
    »Denk daran, wie arm wir als Kinder auf dem Dorf waren«, meinte ich
schließlich. »Vieles hatten wir damals gar nicht.«
    »Fleisch«, fiel sie mir ins Wort. »Soll ich ein Menü mit Fleisch
zubereiten? Sagen wir, Zicklein im Ofen?«
    »Besser nicht, denn Lambros hat immer ein genügsames und karges
Leben geführt. Mit den Jahren ist ihm das zur zweiten Natur geworden. Wenn ich
an all seine festen Überzeugungen und fixen Ideen denke, kann ich mir nicht
vorstellen, dass er Fleisch mag. Deine gefüllten Tomaten jedoch würden ihm
prima schmecken, da bin ich mir sicher.«
    [368]  »Ja, aber dann kann ich als nächsten Gang nicht noch mal in Öl
geschmortes Gemüse auftischen.«
    »Es gibt doch auch noch Fisch auf dieser Welt«, sagte ich
scherzhaft.
    »Fisch ist nicht meine Stärke«, gestand sie.
    »Komm schon, wann immer du mir Anchovis mit Zitronensoße im Ofen
machst, schmeckt es hervorragend.«
    »Bist du noch bei Trost? Sollen wir dem Mann bei seinem ersten
Besuch Anchovis vorsetzen?«
    »Genau solche Sachen mag er vermutlich, und genau daran wird er
erkennen, was für eine gute Köchin du bist.«
    Diese Aussage verwirrte sie noch mehr, doch notgedrungen akzeptierte
sie meinen Rat, obwohl sie den Gedanken nur schwer erträgt, für jemanden zu
kochen, dessen Essgewohnheiten sie gar nicht kennt. Und so liegen jetzt die
Anchovis im Ofen, während sie sich um die gefüllten Tomaten kümmert.
    Als Erste treffen Katerina und Fanis ein. Katerina steuert direkt
auf die Küche zu, um Adriani ihre Hilfe anzubieten.
    »Ich hab dir noch gar nicht erzählt, wie die Sache mit deinem Freund
abgelaufen ist«, sagt Fanis, sobald wir allein sind.
    »Nicht nötig, er hat es mir selbst haarklein geschildert.«
    »Er hat uns wirklich fix und fertig gemacht. Zunächst einmal mit dem
Essen, das er uns serviert hat, und dann mit seinen Worten. Beim Essen musste
ich mich echt zusammenreißen, um nicht auf den Teller zu kotzen. Bei seinen
Worten kamen mir dann die Tränen, aber deine Tochter war schneller als ich. Bei
einer Schocktherapie ist die gleiche Symptomatik zu beobachten.«
    [369]  »Wie bitte?«
    »Bei einer Schocktherapie weiß man, dass der Patient zunächst einmal
heftig leiden muss, bevor die Heilung eintritt«, erläutert er mir.
    Katerina tritt kichernd ins Wohnzimmer. »Sie hat mich zum Teufel
geschickt. Ihrer Meinung nach verstehe ich zwar schon ein bisschen was vom
Kochen, aber noch lange nicht so viel, um ihre heiligen Hallen zu betreten.«
Sie setzt sich zu uns und schaut mich an. »Nun sag schon, was hältst du von
Mania?«, will sie wissen.
    Ich erzähle ihr ausführlich davon, was für ein Charakterbild des
nationalen Steuereintreibers uns Mania Lagana präsentiert hat. Dabei verwende
ich Gikas zu Ehren sogar den englischen Begriff profile, da
er mir Mania empfohlen hat. »Ich frage mich, wie sie das in der kurzen Zeit
hingekriegt hat«, sage ich zu Katerina. »Sie hat nicht einmal vierundzwanzig
Stunden dafür gebraucht.«
    »Man sieht es ihr vielleicht nicht auf den ersten Blick an, aber sie
ist auf ihrem Fachgebiet ungeheuer beschlagen und engagiert.«
    »Wenn sie so gut ist, wieso arbeitet sie dann nicht in der
Psychiatrie, sondern bei der Polizei?«, fragt Fanis.
    »Vielleicht, weil ihr Vater beim Militär war. Ich nehme an, dass sie
durch ihren Vater bei der Polizei bessere Chancen hatte. Bei Mania kommt aber
noch etwas anderes dazu. Sie hat sich nämlich nie für den einfachsten Weg
entschieden. Ich glaube, dass es sie gereizt hat, mit Drogenabhängigen zu
arbeiten.« Dann fährt sie, an mich gewandt, fort: »Jedenfalls ist sie nicht
gerade ein einfacher Charakter. Wir beide sind prima miteinander ausgekommen,
aber mit ihren [370]  Professoren lag sie ständig im Clinch. Nur weil sie eine
Studentin mit Bestnoten war, ließ man ihr das durchgehen.«
    Die Türklingel unterbricht unser Gespräch, und Katerina läuft zum
Eingang, um zu öffnen. Auf der Schwelle steht Sissis. Er trägt einen schwarzen
Anzug mit seitlich geknöpfter Jacke über einem weißen Hemd. In der Hand hält er
eine Schachtel mit Süßigkeiten. Ohne sich von der Schwelle zu rühren, blickt er
uns scheu und

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