Zahltag
Uns allen hier ist
klar, dass solche Offshore-Firmen in neun von zehn Fällen der
Steuerhinterziehung dienen.«
[110] Diesmal ergreift Malliaressis das Wort. »Wenn ihm die
Liegenschaften nicht gehören, haben sie in seiner Steuererklärung auch nichts
zu suchen. Was erwarten Sie denn? Dass wir ihm den Grundbesitz seiner Kinder anrechnen?«
»Nein, aber dass Sie die Angaben überprüfen und dabei feststellen,
dass Korassidis’ Töchter kein Einkommen angeben«, beharrt Spyridakis. »Haben
Sie kontrolliert, ob die beiden überhaupt eine Steuererklärung abgeben?«
Erwartungsgemäß fällt Vlachakis’ Blick auf den Sachbearbeiter
Malliaressis, der nun antworten muss. Bis hierher konnte auch ein in
Steuerfragen unbedarfter Mensch wie ich folgen.
»Glauben Sie, dass wir die Möglichkeit haben, alle Steuererklärungen
nachzuprüfen?«, meint Malliaressis zu Spyridakis. »Die Zahl der Kollegen reicht
einfach nicht aus. Wenn wir Verstärkung anfordern, stellt sich das Ministerium
taub. Darüber hinaus hat man uns die Gehälter und Zulagen gekürzt. Was wollen
Sie also? Sollen wir für noch weniger Lohn noch mehr arbeiten? Wer tut das denn
sonst in Griechenland?«
»Ist es Ihnen denn nicht seltsam vorgekommen, dass er in einem
ganzen Jahr insgesamt nur neunzig Quittungen ausstellt? Ein berühmter Arzt, der
nur gerade neunzig Patientenbesuche abrechnet? Nicht einmal darüber haben Sie
sich gewundert?«
»Halsen Sie uns jetzt nicht Ihre eigene Arbeit auf.« Vlachakis
schießt sich nun, genau wie vorhin Katsoumbelos, auf Spyridakis ein. »Es ist
doch Ihre Aufgabe, die Honorarabrechnung von Selbständigen zu überprüfen. Wir
schauen nur im Quittungsbuch nach, ob alle Belege bei der Steuer [111] eingereicht
wurden. Die Buchprüfung obliegt ja nun Ihnen. Die hat man uns doch entzogen und
Ihrer Behörde übertragen, weil Ihre Mitarbeiter anständig, integer und
unbestechlich sind, wohingegen wir ja zur Mafia der Finanzbeamten gehören, die
sich von den Steuerzahlern schmieren lässt. Sie sollten hier also nicht so auf
den Tisch hauen. Führen Sie doch selbst die Prüfung durch.«
Als ich merke, dass die Vernehmung in eine Auseinandersetzung
zwischen Finanzamt und Steuerfahndung auszuarten droht, will ich eingreifen.
Doch Dolianitis kommt mir zuvor.
»Hören Sie, Ihre Zwistigkeiten interessieren hier nicht«, meint er
mit Nachdruck zu Vlachakis. »Hier haben wir es mit der Aufklärung eines Mordes
zu tun, und angesichts dessen ist alles andere zweitrangig. Morgen früh werden
wir beim Staatsanwalt eine Offenlegung Ihrer Konten beantragen.«
»Das können Sie sich sparen. Wir selbst werden unsere Banken
informieren, damit Sie unsere Konten und die unserer Familienangehörigen
einsehen und prüfen können. Aber Sie werden nichts finden.«
»Warum erzählst du ihnen nicht, wie’s wirklich ablief?«, spielt
Malliaressis plötzlich Vlachakis den Ball zu. Und als der zögert, beharrt er
weiter: »Komm schon, so können wir die ganze Sache abkürzen.«
»Wir wurden von einer hochrangigen Persönlichkeit unter Druck
gesetzt, Korassidis’ Steuererklärung nicht besonders gründlich zu prüfen«,
erläutert Vlachakis mit gepresster Stimme. »Alles, was Sie erwähnt haben, ist
auch uns aufgefallen, und wir haben ihn zur Klärung der Angelegenheit [112] einbestellt. Doch dann folgte der Anruf, und wir haben die Finger davon
gelassen.«
»Wer ist denn diese hochrangige Persönlichkeit?«, fragt
Lambropoulos.
»Den Namen behalte ich für mich, Herr Kommissar«, erwidert Vlachakis
entschieden.
»Und aus welchem Grund?«
»Weil uns beiden eine Strafversetzung droht, wenn diese Person davon
erfährt. Ich habe nicht vor, den Gefallen, den ich einem Politiker getan habe,
mit einer Strafversetzung zu bezahlen. Ganz abgesehen davon, dass er alles
abstreiten wird.«
»Dieser… politische Funktionär«, sagt Malliaressis auf der Suche
nach dem passenden Ausdruck, »hat uns erklärt, Korassidis sei ein
hervorragender Arzt, eine Stütze unserer Gesellschaft. Deshalb sollten wir bei
der Prüfung seiner Steuerakte ein Auge zudrücken.«
Wer zwei Hasen gleichzeitig jagt, fängt keinen. Mit diesem Gedanken
im Hinterkopf beende ich die Vernehmung.
»Dann gehen Sie jetzt in Frau Liakous Büro, um Ihre Aussage zu
unterschreiben«, weise ich die beiden an.
»Ich möchte Sie bitten, alles, was diesen politischen Funktionär
betrifft, aus dem Protokoll zu streichen«, sagt Vlachakis zu mir. »Das bleibt off the record. «
»Schon klar,
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