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Zahltag

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Titel: Zahltag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petros Markaris
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verschickt er per WLAN . Das heißt, er
vermeidet feste Internetverbindungen. Als wir versuchten, die IP -Adresse seiner Website zurückzuverfolgen, stießen
wir beim ersten Mal auf einen russischen und danach auf einen chinesischen
Anbieter. Das heißt, dass er ein Programm hat, mit dem er seine Spuren verwischt.«
    »Glauben Sie, dass es irgendetwas zu bedeuten hat, dass er seine
Opfer mit Schierling tötet und auf archäologischen Ausgrabungsstätten
zurücklässt?«, fragt mich der Minister.
    »Mit Sicherheit will er uns damit etwas sagen, aber solange wir sein
Motiv nicht kennen, können wir auch seine Botschaft nicht entschlüsseln.«
    »Heißt das, Sie bezweifeln, dass es ihm nur um die Bestrafung
mutmaßlicher Steuerhinterzieher geht?«
    »Mein Gefühl sagt mir, dass sich hinter den Taten noch etwas anderes
verbirgt.«
    [145]  Er nimmt meine Antwort mit offensichtlicher Genugtuung zur
Kenntnis, da er mit dem Gedanken liebäugelt, sich in der Stunde der Not darauf
zu berufen.
    »Könnte es sein, dass der Täter Archäologe ist?«, fragt der
Vizeminister.
    Alle blicken ihn erstaunt an, dabei ist seine Frage gar nicht so
weit hergeholt, wie es zunächst den Anschein hat.
    »Durchaus möglich, denn er hat eine spezielle Beziehung zur Antike«,
erwidere ich ihm. »Andererseits könnte es auch genauso gut ein Finanzbeamter
oder auch ein Steuerberater sein.«
    »Jedenfalls haben diese Morde ab sofort höchste Priorität. Alles
andere kann warten«, hebt der Minister hervor und wiederholt zum Abschluss noch
einmal seine Drohung. »Wenn Sie den Täter nicht bald festnehmen, wird das
äußerst ernste Folgen für uns alle haben.«
    »Haben Sie mitbekommen, was er zu mir gesagt hat?«, fragt mich
Spyridakis beim Hinausgehen. »Dass der Staatsbürger unter demokratischen
Verhältnissen ein gesetzmäßiges Anrecht auf Steuerhinterziehung hat?«
    »Machen Sie sich nichts draus. Angst ist ein schlechter Ratgeber«,
entgegnet ihm Lambropoulos. »Denen da oben schwimmen die Felle davon. Wenn
rauskommt, dass hier plötzlich jemand Steuersünder zur Verantwortung zieht, die
jahrelang ungeschoren geblieben sind, kann man sich gut vorstellen, was ihnen
für ein Donnerwetter droht.«
    Ich halte mich aus der Diskussion heraus, da ich ganz erschöpft bin.
Deshalb beschließe ich, meinen Wagen aus der Garage am Alexandras-Boulevard zu
holen und nach Hause zu fahren.

[146]  19
    Als ich Fanis’ Stimme aus dem Wohnzimmer höre, würde ich
am liebsten gleich wieder kehrtmachen und ins Büro zurückfahren. Sein Besuch um
sieben Uhr abends kann nur einen Grund haben: Katerina hat ihm ihren Entschluss
mitgeteilt, für das UN -Flüchtlingskommissariat zu
arbeiten. Und jetzt erwartet er von uns entweder, dass wir ihn trösten, oder
dass wir bei Katerina intervenieren.
    Obwohl ich vollstes Verständnis für seine Lage habe, fühle ich mich
aufgrund meines üblen Zustands und der Aussicht, zwei Stunden lang den
Ahnungslosen spielen zu müssen, überfordert. Adriani kommt mit solchen
Situationen immer viel besser zurecht.
    »Was machst du denn hier?« Meine Überraschung klingt zumindest echt.
    »Die Antwort wird dich kaum begeistern«, mischt sich Adriani ein.
    »Es geht um Katerina«, erläutert uns Fanis. »Aber ich möchte euch
bitten, ihr nichts von meinem Besuch zu sagen.«
    Na prima, sage ich mir. Zuerst kommt Katerina an und ersucht uns,
dass wir Fanis nichts erzählen, und dann bittet uns Fanis, Katerina gegenüber
Stillschweigen zu bewahren.
    »Katerina steckt in einer Existenzkrise«, fährt Fanis fort.
»Einerseits setzt sie sich mit voller Kraft für die von ihr [147]  vertretenen
Asylanten ein, andererseits sieht sie dafür keinen roten Heller. An diesem
Punkt wird’s problematisch, da sie sich nicht damit abfinden kann, dass sie –
obwohl sie einen Job hat – auf die Unterstützung ihres Mannes oder ihrer Eltern
angewiesen ist.«
    »Ja gut, Fanis, das verstehe ich, aber dieser Zustand wird doch
nicht ewig dauern. Irgendwann wird sich schon etwas ergeben«, sagt Adriani zu
ihm.
    »Aber wann?«, fragt Fanis, doch darauf wissen wir beide keine
Antwort. »Sieh mal, Adriani, hier liegt das Problem. Immer wenn ich zu ihr sage
›Nimm’s nicht so schwer, irgendwann wird sich schon etwas ergeben‹, knallt sie
mir dieses ›Aber wann?‹ ins Gesicht, worauf ich auch keine Antwort weiß.« Er
holt tief Luft, um Kraft zu schöpfen. »Aber das war noch nicht alles. Katerina
hat vom UN -Flüchtlingskommissariat ein

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