Zahltag
wählt die Nummer
des [138] Ministerbüros. Als endlich sein oberster Chef persönlich am Apparat ist,
kommt Gikas nicht mehr zu Wort. Während die Schimpftirade des Ministers auf ihn
niedergeht, hält er den Hörer krampfhaft umklammert und beißt sich auf die
Lippen, um jede Entgegnung zu unterdrücken. Am Schluss sagt er nur: »Sehr wohl,
Herr Minister. In einer Stunde sind wir bei Ihnen.«
Nachdem er aufgelegt hat, wendet er sich an mich: »Sie haben es ja
gehört: In einer Stunde in seinem Büro.«
»Gut, aber wir sollten uns Verstärkung holen.«
»Wen denn? Wollen Sie die Sondereinheiten zu Hilfe rufen, zum Schutz
vor seinem Zorn?«, fragt er mit galligem Humor.
»Nein, ich meine Lambropoulos von der Abteilung für
Computerkriminalität und Spyridakis vom Amt für Steuerfahndung. Es gibt Fragen,
auf die sie viel besser antworten können.«
Das sieht Gikas ein, und ich fahre zu meinem Büro hinunter.
Vlassopoulos und Dermitsakis haben inzwischen Lazaridis’ Wohnung in Maroussi
inspiziert und erwarten mich bereits mit ihrem Rapport.
»Kurz und bündig, bitte«, sage ich zu ihnen, da ich verschwinden
möchte, bevor die Journalistenmeute antanzt.
»Mit einem Wort, Herr Kommissar: Fehlanzeige.«
Da ich auch nichts anderes erwartet habe, bin ich weder überrascht
noch genervt. Auf meinem Schreibtisch liegt ein Zettel mit der Nachricht, dass
mich Stavropoulos um Rückruf ersucht. Seiner Bitte leiste ich sofort Folge.
»Schierling«, sagt er knapp. »Er muss ihm die Injektion zwischen
fünf und acht Uhr am Vorabend verpasst haben.«
[139] Das passt zu der Auskunft, die uns der eine Mitarbeiter im Büro
von Global Internet Systems gegeben hat, dass nämlich Lazaridis gegen fünf zu
einem Termin aufgebrochen war. Zur Verabredung mit dem Mörder.
Ich fahre zur Cafeteria hinunter, um einen Mokka zu trinken und mich
innerlich gegen die Sturmböen zu wappnen, die uns gleich erwarten. Obwohl
Korassidis ein Promi-Arzt war, hatten wir seinen Fall einigermaßen im Griff.
Nach dem Mord an Lazaridis steckt unser Hals jedoch plötzlich in einer
Schlinge, die von mindestens zwei Ministerien gleichzeitig zugezogen wird.
[140] 18
Sie kommen im Doppelpack, der Finanzminister und sein
Stellvertreter. Letzterer hat offenbar erfahren, dass auch das Amt für
Steuerfahndung vertreten sein wird, und daher beschlossen, ebenfalls
herbeizueilen – zum einen, um die von Spyridakis zusammengetragenen Informationen
zu sichten, zum anderen, um ihn bei der kleinsten Eigeninitiative zu rüffeln.
Die düsteren Mienen der beiden Regierungsmitglieder sprechen Bände.
Kein Wunder, denn Lazaridis war ein hochrangiger Funktionär aus ihrer eigenen
Partei, hier musste kein Vizeminister – wie bei Korassidis – einschreiten, um
die Überprüfung seiner Steuerakte zu verhindern. Hier genügte es, dass er
selbst zum Telefonhörer griff und dem Finanzbeamten erklärte: »Legen Sie meine
Steuererklärung zu den als wahrheitsgemäß eingestuften Akten.« Was der
Sachbearbeiter auch ohne jede Widerrede getan hätte, wäre dieser
Parteifunktionär nicht plötzlich ermordet aufgefunden worden und würde nicht
seine ganze Schmutzwäsche, für jeden sichtbar, im Internet flattern.
Gikas hat meinem Wunsch entsprochen und Lambropoulos dazugebeten.
Normalerweise hätte man von mir erwartet, zunächst einmal einen allgemeinen
Bericht abzuliefern, doch den Spitzenpolitikern brennt eine andere Frage unter
den Nägeln.
[141] »Wer weiß von den beiden Mahnschreiben?«, fragt der Minister.
»Herrn Charitos’ Dienststelle, die sie ja auch entdeckt hat, die
Abteilung für Computerkriminalität und das Amt für Steuerfahndung«, antwortet
Gikas.
»Das muss um jeden Preis geheim gehalten werden«, meint der
Minister. »Wenn irgendetwas durchsickert, hätte das verheerende Folgen.« Die
Andeutung »verheerender Folgen« betrifft alle Anwesenden, und der drohende
Unterton ist nicht zu überhören.
»Natürlich wissen wir nicht, wer alles in der Zwischenzeit im Internet
darauf gestoßen ist«, bemerkt der Vizeminister.
»Wir haben die Seite sperren lassen«, fügt Lambropoulos hinzu.
»Davon wird er sich nicht abhalten lassen. Er wird es auf anderem
Wege versuchen«, lautet mein Kommentar.
»Wie kommen Sie darauf?«, fragt mich der Minister.
»Er hätte sich ja auf die Briefe an seine Opfer beschränken können,
Herr Minister. Das hat er aber nicht getan, denn er verfolgt genau dieselbe
Politik wie bestimmte Personen im Finanzministerium, die
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