Zahltag
Stellenangebot
bekommen.«
»Wie schön! Aber soweit ich weiß, bietet das UN -Flüchtlingskommissariat
keine Posten in Europa an«, erwidere ich.
»Richtig. Man würde sie irgendwo nach Afrika schicken.«
»Und sie soll alles – ihren Mann und ihr Heim – zurücklassen und
nach Afrika auswandern?«, fragt Adriani empört.
Ich frage mich, warum sie sich so gut verstellen kann. Vermutlich
frisst sie ihren Zorn einfach eine Weile lang in sich hinein, und umso
glaubwürdiger bricht er aus ihr heraus.
»Versetz dich doch mal in meine Lage«, antwortet Fanis. »Hier
arbeitet sie im Grunde gratis. Das UN -Flüchtlingskommissariat
erkennt nicht nur ihr Studium an, sondern auch das, was sie bislang für die
Asylbewerber geleistet hat. Darüber hinaus bekommt sie ein Gehalt, von dem sie
in [148] Griechenland nur träumen kann. So ein Angebot lehnt man nicht leichtfertig
ab.«
Adrianis Fragen sausen herab wie Hammerschläge. »Und was wirst du
tun? Willst du nach so vielen Jahren wieder einen Junggesellenhaushalt führen?«
»Katerina und ich haben uns sehr gern, das weißt du. Wir würden eine
mehrjährige Trennung aushalten. Sie will ja nicht ihr Leben lang dort bleiben.
Sobald es eine Antwort auf dieses gottverdammte ›Wann?‹ gibt, kommt sie
zurück.« Wieder holt er tief Luft und fügt hinzu: »Ich habe mir noch etwas
anderes überlegt. Ich könnte mich bei der Organisation ›Ärzte ohne Grenzen‹
bewerben, die in ganz Afrika tätig ist. Bestimmt findet sich eine Stelle auch
in der Gegend, in die man Katerina schicken wird.«
»Du willst deinen Posten im Krankenhaus aufgeben? Du willst in
Zeiten wie diesen aus dem öffentlichen Dienst ausscheiden? Nicht nur Katerina
ist verrückt. Du auch! Da haben sich die Richtigen gefunden«, ruft Adriani aus.
»Ich will nicht, dass sie geht«, gesteht Fanis mit plötzlicher
Niedergeschlagenheit. »Deshalb bin ich zu euch gekommen. Bestimmt wird sie euch
davon erzählen, sie kann es vor euch nicht geheim halten. Vielleicht können wir
sie alle gemeinsam überzeugen.«
»Tja, Fanis, wir werden es versuchen, aber unsere Tochter ist ein
Querkopf. Ihre Meinung ändert sie nicht so schnell.«
Ich halte mich zurück, da ich weiß, dass Adriani die Wahrheit sagt.
Wenn Katerina einmal eine Entscheidung getroffen hat, kann man sie unmöglich
wieder davon abbringen. Nachdem sich Fanis mit hängenden Schultern erhoben hat,
bleiben wir beide allein zurück, wie zwei einsame [149] Eulen, die auf die
besseren Zeiten warten, die man uns einst versprochen hat und die niemals
kommen werden.
»Das war’s dann wohl! Wenn sie es Fanis schon ankündigt, dann ist
ihre Entscheidung gefallen«, sagt Adriani kurze Zeit später.
»Wart’s erst mal ab. Wenn wir uns mit Fanis absprechen und gemeinsam
auf sie einwirken, überzeugen wir sie vielleicht.«
»Ja, schon, aber Fanis wirkt nicht gerade wild entschlossen, sie
zurückzuhalten. Du hast doch gehört, wie viele Rechtfertigungen er für sie
vorgebracht hat, und er ist sogar bereit, seine Stelle im öffentlichen Gesundheitswesen
aufzugeben und bei ›Ärzte ohne Grenzen‹ anzuheuern. Er ist eben nicht der Typ
Mann, der auf den Tisch haut.«
Das Bemühen, sich Fanis gegenüber nicht zu verraten, hat sie all
ihre Kraft gekostet, und nun kommt auch noch die Verzweiflung über den
Entschluss ihrer Tochter dazu. Schließlich bricht Adriani in Tränen aus. »Aus
und vorbei! Bald ist mein Mädchen fort«, schluchzt sie leise.
»Komm jetzt, das kennen wir doch schon. Katerina hat jahrelang weit
weg gelebt.«
»Thessaloniki ist für dich dasselbe wie Uganda oder Senegal?«,
schreit sie auf.
»Nein, aber auch für Afrika können wir günstige Flugtickets
auftreiben und sie besuchen.«
Mit einem Schlag erstirbt ihr Schluchzen. »Manchmal weiß ich nicht,
wann du etwas im Scherz sagst und wann du etwas ernst meinst«, sagt sie. »Wenn
das ein Witz sein soll, dann ist er geschmacklos. Aber wenn du das ernst
meinst, dann ist dir nicht mehr zu helfen.«
[150] Ich setze mich neben sie. »Hör mal, Katerina reist ja nicht schon
morgen ab«, sage ich. »Bis die Sache durch alle Instanzen ist und sie den
Einstellungsbescheid bekommt, bis klar wird, in welches Land man sie schickt,
wird’s noch eine Weile dauern. Bis dahin kann sich noch vieles ändern.«
»Stimmt«, pflichtet sie bei. »Wir wollen nicht gleich den Teufel an
die Wand malen.«
Da wir nun schon mal vor dem Fernseher sitzen, schalte ich ihn auch
ein – einerseits, um der
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