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Zahltag

Zahltag

Titel: Zahltag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petros Markaris
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zögert kurz. »Obwohl, wieso sollte man
in mein Büro einbrechen, Herr Kommissar? Meine Videofilme liegen in allen
Souvenirläden aus. Wer sie für [196]  seine eigenen Zwecke benutzen will, braucht
nur einen zu kaufen.«
    »Ja, das hat man mir beim Dokumentationszentrum des
Kerameikos-Friedhofs auch schon erklärt. Damit wäre die Sache erledigt, aber
ich hätte noch eine Bitte. Gehen Sie, wenn Sie wieder in Deutschland sind, in
das nächstgelegene griechische Generalkonsulat und schicken Sie mir von dort
eine offizielle Niederschrift Ihrer Aussage.«
    »Selbstverständlich, nur müssen Sie sich ein paar Tage gedulden. Ich
habe noch ungefähr eine Woche hier in Taormina zu tun.«
    »In Ordnung, es ist nicht so dringend.«
    Gleich nachdem ich aufgelegt habe, tritt Dermitsakis in mein Büro.
»Ich habe mit Thalia, einer von Korassidis’ Töchtern, gesprochen. Zunächst
wollte sie morgen früh vorbeikommen, nachdem sie sich mit ihrem Anwalt besprochen
hätte. Doch dann rief sie noch einmal an und meinte, morgen um eins wäre
besser, da ihr Anwalt vorher einen Gerichtstermin hat.«
    Ich versuche mir ins Gedächtnis zu rufen, welche der beiden
Korassidis-Töchter Frau Anna, die Haushälterin, als kalt und autoritär
beschrieben hat. Ich glaube fast, es war Thalia.
    Der folgende Anruf kommt von Dakakos aus Elefsina. »Herr Kollege,
wir haben hier einen Zeugen, der am Tatabend eine Beobachtung gemacht hat.«
    »Ein Immigrant?«
    »Nein, ein Einheimischer. Einer von diesen miesen Antikenräubern,
die nachts, vorwiegend bei Vollmond, in die archäologischen Stätten eindringen
und ein Stück Marmor [197]  klauen, das sie dann an irgendwelche Spinner oder
Hehler verkaufen. Als er von uns in die Mangel genommen wurde, hat er die
Geschichte ausgespuckt. Sollen wir ihn ins Präsidium schicken oder kommen Sie
hierher?«
    »Lieber komme ich zu Ihnen, damit wir die Szene gleich nachstellen
können.«
    »Gut, dann warten wir auf Sie.«
    Diesmal entscheide ich mich für den Seat. Eine Reihe von
Streifenwagen ist nämlich nicht zu gebrauchen, da kein Geld mehr da ist für
dringend nötige Reparaturen. Und es besteht kein Anlass, für diese Fahrt einen
der wenigen verfügbaren Dienstwagen zu blockieren.

[198]  26
    Das Glück scheint auf meiner Seite zu sein. Bis Skaramangas
ist der Straßenverkehr nicht beeinträchtigt, auch danach bleibt das
Verkehrsaufkommen mäßig. Eine halbe Stunde später befinde ich mich bereits auf
der Autobahn Athen-Korinth. Endlich einmal kommt mir das Navigationsgerät des
Seat zupass. Da Elefsina nicht zu meinem vertrauten Aktionsradius gehört,
fürchte ich sonst auf Abwege zu geraten.
    Die weibliche Stimme des Navigationssystems geht mir zwar wie immer
ziemlich auf die Nerven, doch diesmal füge ich mich all ihren Anweisungen. Sie
trägt mir auf, nach dreihundert Metern in die Iera Odos abzubiegen, zweihundert
Meter später geht’s nach rechts und kurz darauf erneut nach rechts. »Sie sind
am Ziel«, verkündet sie großspurig, als ich vor der Polizeiwache Elefsina
anlange.
    Als ich dem Wachtposten am Eingang meinen Namen und meinen
Ansprechpartner nenne, führt er mich direkt zum Büro des Revierleiters. Dakakos
erhebt sich zur Begrüßung. »Schön, dass Sie da sind, Herr Kommissar. Die
Athener Kollegen bekommen wir nicht oft zu Gesicht«, erklärt er lachend.
    »Erst mal mein Kompliment«, erwidere ich. »Ehrlich gesagt hatte ich
keine großen Hoffnungen, dass uns Ihre Ermittlungen weiterbringen würden.«
    [199]  »Kalodimos, ein junger und aufgeweckter Beamter, war auf die
entscheidende Idee gekommen. Tsobanas ist bei uns aktenkundig. Wir wissen, dass
er im Mysterientempel herumschleicht und immer wieder mal was mitgehen lässt.
Kalodimos hat angeregt, wir sollten ihm einfach mal ein bisschen auf den Zahn
fühlen. Anfangs stellte er sich dumm und wollte nichts gesehen und gehört
haben. Er hatte nämlich Angst, dass wir jede seiner Äußerungen nur dazu
benutzen wollten, ihm gleich noch ein paar Diebstähle in die Schuhe zu
schieben. Ich habe ihm erklärt, genau das täten wir, wenn er den Mund nicht
aufmachen würde. Schließlich haben wir einen Kompromiss gefunden. Wir
akzeptieren seine Version der Geschichte, nämlich dass er bei der Kapelle einen
Spaziergang gemacht hat, um die Abendluft zu genießen. Und dafür erzählt er uns
ein paar Schwänke aus seinem Leben.«
    »Kann ich mit ihm sprechen?«
    »Ja, natürlich.« Er tritt zur Tür und ruft hinaus: »Kalodimos, bring
uns deinen

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