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Zahltag

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Titel: Zahltag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petros Markaris
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Schützling her!«
    Kurz darauf erscheint ein spindeldürrer Mittdreißiger in Begleitung
eines jungen Beamten. Der Dünne bleibt an der Tür stehen und heftet seinen
Blick auf mich. Er versucht zu erraten, worauf ich hinauswill, um einschätzen
zu können, wie er sich mir gegenüber verhalten soll.
    »Das ist Tsobanas«, stellt ihn Dakakos vor.
    »Revierleiter Dakakos hat mir gesagt, dass Sie am Abend bei der Kapelle
spazieren gegangen sind und dabei etwas beobachtet haben.«
    Sobald ich die abgesprochene Version wiederhole, entspannt er sich.
Gerade als er zu seiner Erzählung ausholen [200]  will, falle ich ihm ins Wort.
»Nein, nicht hier. Ich würde gern zusammen mit Ihnen zu der Stelle gehen, wo
alles passiert ist.«
    Zusammen mit Kalodimos brechen wir auf. Zunächst treten wir auf die
Iroon-Polytechniou-Straße, zwei Ecken weiter biegen wir nach links in ein
Gässchen, das uns zum Park führt, in dem eine Kapelle mit Glockenturm steht.
    »Ich war gerade in der Nähe der kleinen Kapelle«, hebt Tsobanas an.
    »Wo genau? Können Sie mir den Platz zeigen?«
    Schlagartig wirkt sein Gesicht verschlossen und argwöhnisch. »Das
ist jetzt eine ganze Weile her. Daran kann ich mich nicht mehr erinnern.«
    »He, Tsobanas, jetzt machen Sie uns das Leben nicht schwer«, meint
Kalodimos. »Sie kennen die Gegend wie Ihre Westentasche. Reden Sie schon. Wir
haben doch geklärt, dass Sie nichts zu befürchten haben.«
    »Sagen Sie mal, Minas… Trauen Sie mir über den Weg?«, fragt ihn
Tsobanas.
    Kalodimos lacht auf. «Klar, aber meine Brieftasche würde ich Ihnen
nicht anvertrauen.»
    »Ganz meinerseits, ich traue euch nämlich auch nicht. Drum schaue
ich zu, dass ich meinen Arsch retten kann.«
    »Hören Sie, da Sie deutliche Worte gebrauchen, mache ich auch eine
klare Ansage«, wende ich mich an Tsobanas. »Ich weiß genau, was Sie treiben,
aber das interessiert hier überhaupt keinen. Niemand hat Sie auf dem Kieker,
niemand wirft Ihnen irgendetwas vor. Wir haben derzeit zwei Morde an
prominenten Personen an der Backe und suchen händeringend nach Anhaltspunkten.
Im Vergleich zu den beiden [201]  Gewaltverbrechen sind Ihre Delikte
Kinkerlitzchen. Machen Sie sich Folgendes klar: Wenn Sie uns helfen, steht die
Polizei in Ihrer Schuld und wird Ihre Mitarbeit honorieren.«
    Er blickt mich unschlüssig an und wägt meine Worte ab. Dann meint er
knapp: »Kommen Sie.«
    Er führt mich zu einer Stelle unter den Bäumen. »Hier habe ich
gestanden und über das Gelände geschaut.«
    »Und was haben Sie gesehen?«
    »Gar nichts, aber gehört hab ich etwas.«
    »Und zwar?«
    »Das Geräusch eines Automotors, von der Giokas-Straße her.«
    »Das ist die Straße gleich bei der Kapelle«, erläutert Kalodimos,
»auf der wir vorhin hergekommen sind.«
    »Ich hatte Angst, es könnte ein Streifenwagen sein. Daher habe ich
mich schnell hinter der Kapelle versteckt«, fährt Tsobanas fort. »Dann wurde
der Motor ausgestellt, und ich hörte das Schlagen von Autotüren. Ich habe mich
nicht vom Fleck gerührt. Kurze Zeit später sah ich, wie ein Typ einen Sack
herüberschleppte.«
    »Konnten Sie sein Gesicht erkennen?«, frage ich.
    »So nah kam er nicht an mich heran. Er trug Jeans und ein
Sweatshirt.«
    »Mich interessieren mehr seine Gesichtszüge«, beharre ich.
    »Die habe ich nur undeutlich gesehen, weil er sein Basecap tief ins
Gesicht gezogen hatte.«
    »Was hat er dann gemacht?«
    »Er ist bis zu der Säule dort gegangen, hat den Sack [202]  geöffnet und
sich dann hinuntergebeugt. Aus der Entfernung konnte ich nicht genau erkennen,
was er weiter getan hat. Jedenfalls hat er sich wenig später wieder
aufgerichtet und den leeren Sack an der Säule abgelegt. Danach hat er etwas ans
Gesicht gehalten. Als das Blitzlicht aufleuchtete, war mir klar, dass er ein
Foto gemacht hat. Danach hat er sich den Sack unter den Arm geklemmt und hat
denselben Weg zurück genommen, den er gekommen war. Kurz darauf habe ich
gehört, wie der Motor angesprungen und der Wagen weggefahren ist. Das war
alles.«
    »Sie erzählen uns nur die halbe Wahrheit, Tsobanas«, stellt
Kalodimos fest. »Jetzt behaupten Sie bloß noch, Sie hätten sich nicht aus der
Nähe angesehen, was er dort zurückgelassen hat.«
    Egal, was man über uns Polizisten sagt: Unsere Nachwuchskräfte sind
nicht auf den Kopf gefallen. Diesen Kalodimos würde ich jederzeit auf unserer
Dienststelle einstellen.
    Tsobanas blickt ihn einen Moment lang betreten an. »Also gut«, meint
er dann.

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