Zahn, Timothy - Eroberer-Trilogie\1 - Eroberer
Anbetracht des Grundstoffwechsels des Patienten.«
»Ich wollte gerade fragen, ob Sie das schon überprüft haben«, sagte Billingsgate. »In Ordnung; aber wenn der Blutdruck nicht anspricht, werden wir die Dosierung wieder erhöhen müssen. Einverstanden?«
»Einverstanden. Und was ist nun mit den Neurobindern?«
Es folgte ein kurzes gepflegtes Fachgespräch, und schließlich zeigte er sich als ein guter Verlierer. Wie die meisten Chirurgen, mit denen Melinda es bisher zu tun gehabt hatte, betrachtete auch Billingsgate sich als Eigentümer seines Operationskonzepts; allerdings war er so erfahren, dass er die Empfehlungen eines kompetenten Beraters nicht einfach ignorierte. Weil immer mehr Routineoperationen von halbempfindungsfähigen Computersystemen durchgeführt wurden, waren die einzigen Operationen, die noch nach menschlichen Chirurgen verlangten, gleichermaßen Kunst wie Wissenschaft. Zum Schreiben brauchte man Redakteure, zum Modellieren brauchte man Modellbauer, und in der Chirurgie brauchte man Konzeptberater. So lautete jedenfalls die Theorie.
»In Ordnung«, sagte Billingsgate schließlich. »Wir verringern das Markinin um zehn Prozent und verschieben den Neurobinder auf der Gamma-Seite um drei Millimeter nach rechts. Zufrieden?«
»Zufrieden.« Melinda klappte den Computer zu. »Ist sonst alles bereit?«
»So gut wie. Wir müssen nur noch ...«
Er verstummte, als die Tür aufglitt und eine Krankenschwester eintrat. »Es tut mir leid, Dr. Cavanagh, aber das ist gerade für Sie gekommen«, sagte sie und reichte ihr eine Karte. »Es ist mit >dringend< gekennzeichnet.«
»Danke«, sagte Melinda, nahm die Karte und holte ihr eigenes Lesegerät hervor.
»Machen Sie schnell«, sagte Billingsgate.
»Ja«, versprach Melinda und überflog mit gerunzelter Stirn die wirren Symbole. Sie hatte eigentlich vermutet, dass es sich um einen neuen Auftrag oder etwas anderes Offizielles handelte; aber das war einer der privaten Codes ihres Vaters. Sie entschlüsselte die Nachricht und sah, wie die Zeilen sich neu ordneten.
Und das Herz blieb ihr fast stehen. »Nein«, flüsterte sie.
Billingsgate drehte sich auf halbem Weg zur Tür um. »Was gibt's denn?«
Wortlos drehte sie den Monitor zu ihm herum. Er bückte sich und las die Nachricht. »O mein Gott«, murmelte er.
»Wer ist Pheylan?«
»Mein Bruder«, erwiderte Melinda. Ihre Stimme klang entfernt in ihren Ohren. Sie hätte vor drei Wochen die Möglichkeit gehabt, Pheylan zu sehen, als sie beide auf Nadezda gewesen waren. Aber sie war zu beschäftigt gewesen ...
Billingsgate sagte etwas. »Verzeihung.« Sie zwang sich, ihre Konzentration auf ihn zu richten. »Was haben Sie gesagt?«
»Ich sagte, dass Sie nicht bleiben müssen«, wiederholte er. »Das Team schafft das auch ohne Sie. Fliegen Sie zum Raumhafen und verschwinden Sie von hier.«
Sie schaute wieder auf die Nachricht, und die Worte verschwammen vor ihren Augen. »Nein«, sagte sie und rieb sich die Augen. »Ich bin die Konzeptberaterin. Ich soll die Operation begleiten.«
»Das ist doch nur eine Empfehlung«, sagte Billingsgate. »Keine Verpflichtung.«
»Es ist meine Verpflichtung«, beharrte Melinda und stand auf. Ihr Verstand funktionierte wieder und sortierte die Möglichkeiten und Notwendigkeiten in den üblichen, präzisen chirurgischen Kategorien. »Geben Sie mir nur eine Minute, mich mit dem CavTronics-Werk in Kai Ho in Verbindung zu setzen. Ich komme dann sofort.«
»In Ordnung«, sagte Billingsgate. Er klang aber nicht sehr überzeugt. »Sind Sie sich auch sicher?«
»Ich bin mir sicher«, erwiderte sie. »Ich kann Pheylan nicht zurückbringen. Vielleicht kann ich aber verhindern, dass ein anderer stirbt.«
Erst als die Worte den Mund verlassen hatten, wurde sie sich bewusst, dass man sie durchaus als Geringschätzung von Billingsgates chirurgischen Fähigkeiten zu interpretieren vermochte. Aber der ältere Mann schien gar keine Notiz davon zu nehmen. »In Ordnung«, sagte er wieder. »Schwester, informieren Sie das Team, es soll sich umziehen. Wir werden anfangen, sobald Dr. Cavanagh bereit ist.«
4
Das blaue Licht flackerte durch die Sichtfenster der Rettungskapsel und riss Pheylan aus einem unruhigen Schlaf.
Das Licht verblasste, loderte wieder auf, verblasste, loderte auf, verblasste ...
»Na schön!«, schrie er und schlug gegen die Wand der Kapsel. »Jetzt reicht's!«
Das Licht loderte ein letztes Mal auf und verlosch dann. Pheylan fluchte leise und zuckte beim ranzigen
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