Zahn, Timothy - Jagd auf Ikarus
schließlich schon so oft ausgesetzt gewesen, dass ich mich nicht mehr an die genaue Zahl zu erinnern vermochte –, und diese hier brauchten einfach zu lang, um ihre Wirkung zu entfalten. Ich richtete die Kameras für die Hüllenüberwachung auf den Bug aus und fokussierte sie anschließend auf die Schnittvorrichtung.
Dann stockte mir der Atem. Die Ionenstrahlen liefen zwar auf die Ikarus zu, wie es auf der Sensoranzeige auch dargestellt wurde, doch auf dem letzten Meter oder so, bevor sie die Baugruppe erreichten, geschah etwas völlig Unerwartetes. Anstatt ihre schöne präzise Parallelrichtung beizubehalten, fächerten die Strahlen plötzlich auf, und die Ionen verpufften wirkungslos. Was bedeutete, dass sie nicht etwa die räumlich begrenzte Ladung aufbauten, die eine verheerende Überspannung verursacht hätte, sondern die Ionen prallten nur gegen die Hüllenplatten, in denen sie nach Gusto eine Ladung aufbauen konnten, ohne Schaden anzurichten.
»Es ist die Hülle«, sagte Ixil plötzlich mit einer Stimme, in der eine solche Ehrfurcht mitschwang, wie ich selbst sie auch verspürte. »Das radiale Schwerefeld in der Hülle.«
Und dann ergab plötzlich alles einen Sinn. Chorts Außeneinsätze hatten zu der Erkenntnis geführt, dass das fremdartige Schwerefeld im Inneren der Haupthülle zu schwach war, um sich außerhalb des Schiffs auszuwirken. Anscheinend war seine Wirkung aber stark genug, um einen Strahl subatomarer Teilchen abzulenken. Entweder das, oder der Feldgenerator hatte noch einen anderen Effekt, durch den sie neutralisiert wurden.
Und plötzlich hatten wir wieder eine Chance. Ich rannte zur SteuerKonsole und programmierte den Antrieb so, dass die Gierbewegung sich noch verstärkte. »McKell?«, rief Nicabar über die Gegensprechanlage. »Was tun Sie denn da?« »Die Ionenstrahlen der Jäger verfehlen die Generatoren der Schnitt Vorrichtung«, rief ich zurück und richtete die Aufmerksamkeit wieder auf den Zerstörer. Der wartete nun nicht länger geduldig, dass wir ihm in die Arme getrieben wurden, sondern raste wie ein Racheengel im Weltraum auf uns zu und beschoss uns ebenfalls mit Ionenstrahlen, obwohl er noch nicht einmal auf Schussweite herangekommen war. »Ich vermute, dass der Strahl des Zerstörers ihm auch nichts anhaben kann; aber er wird höchstwahrscheinlich die Hülle des Triebwerkssektors perforieren und Ihre Systeme zerstören. Also drehe ich die Ikarus, um die Haupthülle zwischen Sie und die Angreifer zu bringen.«
»Dadurch setzt du den Triebwerkssektor dem Beschuss durch die Jäger aus«, murmelte Ixil am Navigationstisch. »Und sie sind schon näher als der Zerstörer.«
»Aber ihre Strahlen sind auch schwächer als die des Zerstörers«, erinnerte ich ihn. »Die Chancen stehen gut, dass das massivere Metall da hinten uns vor ihnen schützt. Aber wir haben jetzt sowieso keine große Wahl. Revs, wo bleibt der Countdown?«
»Eine Minute zwanzig«, sagte er. »Bei der Geschwindigkeit, mit der der Zerstörer sich nähert, wird es aber eng.«
»Ja«, murmelte ich und verlangsamte die Drehbewegung, als die Ikarus den angreifenden Jägern das Heck zuwandte. Ich spürte, wie mir der Schweiß auf die Stirn trat. Die Jäger verfügten wahrscheinlich nicht über die Sensor-Vergrößerung, die ihnen gezeigt hätte, wie merkwürdig ihre Ionenstrahlen sich verhielten. Dummerweise verfügte der Zerstörer aber mit der gleichen Wahrscheinlichkeit über eine solche Vorrichtung. Früher oder später würde der Kommandant einen Blick auf unsere Schnittvorrichtung werfen und erkennen, wieso es nicht nur an der fehlenden Treffsicherheit seiner Kanoniere lag, dass sie noch immer keinen Treffer platziert hatten. Und selbst wenn er diese Beobachtung nicht machte, würde er schließlich doch schwerere Waffen einsetzen, anstatt zu riskieren, dass wir ihm entkamen.
Es sei denn, jemand würde ihn darauf hinweisen, dass das keine gute Idee sei.
Ich ging auf die Frequenz, auf der die Najiki-Befehle eingegangen waren. »Najiki-Kampfgruppe, hier spricht die Ikarus«, sagte ich. »Ich wäre an eurer Stelle vorsichtig mit diesen Ionenstrahlen. Wir haben eine Menge empfindlicher Elektronik an Bord, und ich gehe jede Wette mit euch ein, dass die Patth sehr unglücklich wären, wenn ihr sie beschädigt.«
»Frachter Ikarus, hier spricht das militärische Oberkommando von Utheno«, ertönte die Najiki-Stimme. Aber sie klang nicht mehr annähernd so ruhig wie zuvor. »Das ist unsere letzte Warnung. Entweder
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