Zander, Judith
hochgezogen und
ist aus der Truhe raus. Und Oma hat gesagt: »Henry, so was macht man nich,
Sowas, was du da gemacht hast eben!« Und dann ist er in sein Zimmer gerannt,
weil Oma böse war auf ihn, aber sie ist nicht hinterhergekommen.
Und dann war sie den ganzen
Tag komisch. Und beim Abendbrot hat sie gesagt, dass er das nicht noch mal
machen soll und dass er in der Truhe erstickt, wenn er den Deckel nicht mehr aufkriegt.
Und er hat gedacht, dass Oma ihm bloß wieder Angst einjagen will. Weil, er
hatte das ja schon öfter gemacht und war gar nicht erstickt, und dann hat er
das auch wieder gemacht, aber nur wenn Oma nicht da war oder im Garten war, und
er hat das ganz schnell gemacht, bevor er ersticken konnte.
Aber nachher war die Truhe
dann leer, da war da gar nichts mehr drin. Da hätte er gut reingepasst, aber
dann ist er da nicht mehr rein, als Oma alles aus der Truhe rausgeräumt hatte.
Einmal, als er morgens aufgestanden war und aus seinem Zimmer gekommen ist,
hat sie dadrin rumgewühlt und alles rausgeholt, alle Handtücher und alles
Bettzeug, und das lag dann alles ganz unordentlich um sie rum.
»Was machst du denn da?«, hat
er sie gefragt, und sie hat gesagt: »Siehst du doch.«
Und da hat er gesehen, dass da
überall so was drauf war, so komische blaue Kringel an einer Ecke, so wie
Buchstaben oder was, aber er hat nicht genau gesehen, was für welche, und er
hat sich auch nicht getraut zu fragen, und dann hat er auch die Flecken
gesehen, auf manchen Sachen waren so Flecken drauf, so wie wenn er früher
eingepullert hatte und dann so gelbe Flecken auf seinem Schlafanzug und auf
seinem Laken gewesen waren, aber die waren nicht gelb, und Oma hat ihn
angeguckt. Sie hat gesagt: »Henry, dein Kakao wird kalt« oder so was, was sie
immer gesagt hat, wenn er geträumt hat. Wenn er Löcher in die Luft gestarrt
hat. Löcher in die Luft. Wie soll das denn aussehen. Ha.
Vielleicht wie bei Erna die
Löcher in ihren Strumpfhosen, wo die Löcher die Beine hochliefen, einmal konnte
er richtig zugucken, wie eins läuft, bis unter ihren Rock, und noch höher, aber
das konnte er nicht sehen, erst zum Schluss. Bloß, dass die Löcher gar nicht
richtig zu sehen waren, nur wenn man dichter dran war und ganz genau hingeguckt
hat, weil in dem Loch gar nicht das Bein von Erna zu sehen war, gar nicht die
Haut, sondern das dahinter war genauso grau wie das, wo das Loch drin war, und
das konnte doch gar nicht sein. Das war doch Quatsch. Aber das war so. Und er
hat da immer hingeguckt, ganz genau hingeguckt, immer, wenn er bei Erna war,
hat er da hingeguckt, aber er konnte das nicht rauskriegen. Wieso das ein Loch
war, was kein Loch war. Erst zum Schluss.
»Wat kiekst denn ümmertau up
mine Beene?«, hat Erna gesagt. Und ein andermal hat sie gesagt: »Du kiekst na
de Loopmaschn, wat?« Und er hat genickt.
»Na, ick künn mi nich
egalewech nieje Strümp köpen. Ick mööt de annern noch n bäätn schon'n.«
Er hat sie angeguckt. Aber das
war nicht zu sehen in ihrem Gesicht, wie sie das meint.
»Verstoohst mi nich?«, hat
Erna gefragt, und er hat mit dem Kopf geschüttelt und genickt und geschüttelt,
und Erna hat noch mal gesagt, bloß anders: »Verstehst du mir denn nich?«, und
er hat sie angeguckt, und sie hat »ach« gemacht und so mit der Hand.
Aber sie war nicht böse. Erna
war nie böse, außer manchmal. Wenn er die Katzen mit reingenommen hat, wenn er
sie unter seinen Pullover gesteckt hat, damit Erna das nicht gleich merkt, und
sie dann mit reingenommen hat in Ernas Haus und dann so die Arme um seinen
Bauch hatte, weil er doch die Katze festhalten musste, so ganz fest, weil die
Katze die doofe nicht stillgehalten hat unter seinem Pullover, weil sie
rauswollte, aber er konnte sie doch nicht rauslassen, weil, dann hätte Erna das
doch sofort gemerkt. Und dann hat sie ihn gekratzt, so richtig doli am Bauch
gekratzt, und er hat »aua« und »Scheiße« gesagt, und dann musste er sie
rauslassen, das Biest, und dann hat Erna gemeckert und war böse.
Oder als er das mit den
Streichhölzern probiert hat. Das Schnipsen, wie man das so wegschnipst, das
Streichholz, und sich das dabei anzündet und dann mit dem Feuer durch die Luft
fliegt. Wie man das so halten muss, die Streichholzschachtel und dadrauf das
Streichholz so schräg mit dem Zeigefinger, so draufdrücken muss man das auf die
Seite von der Streichholzschachtel, und wie man das dann so mit der andern Hand
wegschnipst, dass das dann anfängt zu brennen, wie er das
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