Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zander, Judith

Zander, Judith

Titel: Zander, Judith Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: die wir heute saagten Dinnge
Vom Netzwerk:
Ich
fummel das Feuerzeug aus meiner Hosentasche und zünde die Zigarette an. Die
richtige Marke. Ich will das nicht denken, aber ein bisschen denk ichs doch:
wie eine Belohnung.
    »Der Schnitt am Hals war nich
so schlimm. Ich hab trotzdem einen Rolli angezogen, mitten im Sommer. Meine
Eltern haben mich da sowieso schon fürn bisschen neben der Spur gehalten, gab
zwar Kommentare, aber egal. Als Mutti meine Hose in der Wäsche entdeckt hat,
wollt sie wissen, woher das Blut kommt. Hab ich ihr also meine Knie gezeigt,
nix gesagt. Da hat sie gesagt: >Mensch, Ella, benimm dich doch endlich mal
wien Mädchen !<
    Ich wollt mir die Haare
abschneiden, selber, mit der Küchenschere, ganz kurz. Dass mich da keiner mehr
dran festhalten kann. Ich hatt schon die ersten Strähnen runter, als ich auf
einmal überlegt hab. Das war das erste Mal. Dass ich mal nich sofort einfach
so was gemacht hab, sondern erst mal überlegt. Und da hab ich mir überlegt,
dass das nich gut war. Erstens natürlich wegen Mutti und Vati, das hätt Terror
gegeben. Aber vor allem auch wegen denen. Ich dacht, wenn die mich erst mit
kurzen Haaren sehen, isses ganz aus. Denn wissen die sofort Bescheid, so was
riechen die. Und den Gefallen wollt ich denen nich tun. Ich wollt einfach so
tun, als war überhaupt nix passiert. Die Haare hab ich so gekämmt, dass das
Abgeschnittene gar nicht auffiel, und ich hab in'n Spiegel geguckt und sah
genauso aus wie vorher. Bloß Oma hat das einmal mitgekriegt, als ich mich so
bei ihr rübergebeugt hab und die Haare zur Seite gerutscht sind. >Weckern
hett di denn so schimpfiert? Wierst dat selber?< - Ach, Oma, hab ich gesagt,
und das war das einzige Mal, wo ich fast geheult hätt. >Dat trägt man heut
so.<
    Ich hab mir nix anmerken
lassen, nich mal bei Thorsten. Aber ich hab gedacht, wenn der das nu auch mit
seiner Freundin macht, also freiwillig, vielleicht macht die das freiwillig.
Ich hab das gar nich ausm Kopp gekriegt. Aber ich hab mir nix anmerken lassen.
Aber ich bin nich mehr rausgegangen. Ich lass einfach die Zeit vergehen. Ich
bin immer noch die dumme Sau, verdammte Scheiße!«
    Ich kann nix machen. Ich drück
die Zigarette in dem großen Blumenpott vorm Fenster aus, tief rein in die Erde,
ich guck mir genau dabei zu. Aber als ich mich wieder umdreh, sieht Romy
trotzdem, dass ich am Heulen bin. Ich sag noch mal: »Verdammte Scheiße.« Ich
sag: »Warum hab ich das Arschloch nich einfach weggeschubst, er war doch nich
viel mehr als ich, warum hab ich ihm nich einfach seinen verfickten Schwanz
abgebissen!«
    Ich muss lachen, heulen und
lachen, und Romy: lacht ja auch. Ich glaub, ich mag sie zum ersten Mal richtig.
Sie sagt: »Ella, ich wollte das nich.«
    »Aber ich«, sag ich.
    Sie sagt - nein, sie sagt doch
nix. Sie nickt. »Kommst du morgen wieder zur Schule?«, frag ich. »Ja. Ja klar.
- Sag mal, warst du eigentlich mal in Polen?«
    »Nee. Was soll ich'n da?«
    Sie runzelt wirklich die
Stirn. Ich dacht, so was kommt bloß in Büchern vor. »Ich dacht bloß. Weil du
doch polnische Vorfahren hast, oder?«
    »Vorfahren!« Weil der
Polenschlampe zu mir gesagt hat. »Na ja, mein oller Opa. Den seine Eltern. Die
sind irgendwann von Polen gekommen. Aber ich weiß nich, wieso. War hier
vielleicht besser. Zu Vati haben sie ja immer >der Pole< gesagt, hat er
sich drüber geärgert. Ich Sprech aber kein Polnisch oder so.«
    Sie grinst. »Macht ja nix.
Hast du nächsten Sommer schon was vor?«
    »Nee, wieso?«
    »Weil wir dann nach Polen
fahren.«
    »Wir? Wie soll das denn
gehen?«
    »Wie eine Reise eben geht. Du
bist erwachsen, oder?«
    »Keine Ahnung. Ich bin
achtzehn.«
    »Dir hat keiner mehr was zu
sagen. Im Gegensatz zu mir.« Sie geht zum Fenster, macht es auf, nimmt die
Kippe aus dem Topf und schnipst sie raus.
    »Ella, ich hab nicht so ein
Geheimnis. Ich weiß nicht, wie das ist. Bloß - zu Hause hocken kann man immer
noch.«
    Ich nicke.
     
    JOHN & PAUL
     
    A msel die mitten
in der N acht singt
    nimm diese
gebrochenen flügel und lerne zu fliegen
    dein ganzes
leben lang
    hast du nur
auf diesen moment gewartet
    FREI ZU SEIN
    A msel die
mitten in der N acht singt
    nimm diese
hohlen augen
    und lerne
zu sehen
    dein ganzes
leben lang
    hast du nur
auf diesen moment gewartet
    um FREI ZU
SEIN
    A msel flieg A msel
    flieg in
das L icht der tiefschwarzen N acht
     
    SONJA
     
    Da hab ich mich innerlich
richtig gefreut. Aber ich sag nix, ich weiß ja, dass sie das nicht hören will.
Aber wie ich da heut Abend vom Grewenthiner

Weitere Kostenlose Bücher