Zander, Judith
Ich sag ihm das auch, jedes Mal.
Wenn er reinkommt und ich schon auf drei Meter Entfernung den muffigen Geruch
von Jethkes Schuppen riech und seine Fahne. Er setzt sich dann zu mir auf die
Couch, als wenn nix war. Ich wedel mit der Hand vor meinem Gesicht rum: »Puh! Muss
das sein?« Oder ich geh gleich zu ihm und sag: »Hauch mich ma an!« Macht er ja
auch noch brav. Und dann meeker ich, und er guckt mich an, als würd er aus
allen Wolken fallen, jedes Mal, und sagt: »Mann, wat wist du denn? Darf man
denn nich ma mehr n Bierchen trinken?«
N Bierchen! Ich weiß echt
nicht, ob er mich für doof hält oder das selber nicht wahrhaben will. Dass er
nicht bloß ein Bierchen
trinkt, sondern drei, und auch nicht nein sagt, wenn ihm Werner die Pulle
hinhält. Dass er das einfach nicht schafft, da mal nein zu sagen! Aber da
nuckeln die denn alle drei an derselben Flasche. Ich find das eklig, ich mag
ihn gar nicht mehr küssen. Na ja, das vermisst er sowieso nicht, wenn ich denn
mal ankomm, heißt es bloß immer: »Du sabbelst!« Und von meinem Löffel essen
oder so kommt nun schon gar nicht in Frage. Oder was essen, was ein anderer mit
den Fingern zubereitet hat. Da schüttelt er sich. Aber mit den beiden
Suffköppen aus derselben Flasche den Klaren in sich reinkippen, das geht.
Ich versteh meinen Mann nicht.
Er hat das doch gar nicht nötig, sich mit denen da hinzustellen. Er sagt zu
mir: »Mann, mit Jethke kannste dich uch kein vernünftiges Wort unterhalten, und
Werner quatscht nur von seim Garten: >Du, Friedhelm, du, ick sag dir ma wat,
Kartoffeln musst du reinmachen, Kartoffeln und paar Feuerbohnen, Feuerbohnen sind
gut, ick geb dir welche, kannst welche von mir haben ... < Der hat doch n
Schuss weg!«
Ja, ich weiß, er hat ja sonst
keinen hier. Und er genießt das ja auch, mal vor die Tür zu kommen, im
Gegensatz zu Anklam, wo man gleich auf der Straße stand, wenn man zur Haustür
raus ist.
Jetzt rauchen sie. Man kann
sie fast gar nicht sehen, nur die drei Glimmstengel, wie Glühwürmchen. Ich weiß
aber trotzdem, welches Glühwürmchen Friedhelm ist. Die Art, wie er raucht, das
hat mir gleich gefallen damals. Das sah so männlich aus. Damals haben alle
geraucht, da hat gar keiner drüber nachgedacht, ob das schädlich sein könnte.
Ich hab das nur mal probiert, aber das war so ähnlich wie mit der
Mopedfahrerlaubnis, so richtig wollt ich das dann doch nicht. Bin ich lieber
bei Rosi mitgefahren, und einmal sind wir im Straßengraben gelandet, sie war
ganz schön voll, glaub ich. Nein, das stimmt vielleicht nicht, dass ich Friedhelm
nicht verstehe. Ich vermiss das ja auch manchmal, diese Zeiten. Als man jung
war. Ich möcht heutzutage nicht jung sein, das war mir viel zu kompliziert.
Aber dass das eben alles schon so lange vorbei ist, das will man wohl manchmal
nicht wahrhaben. Dass das nicht wiederkommt. Na ja, ich komm damit eigentlich
ganz gut klar, ich denk da eigentlich gar nicht dran. Bloß dass das nun bei
Friedhelm noch mal so hochkommt, da hätt ich ehrlich gesagt nicht mit
gerechnet. Denn was andres ist das doch nicht. Das erinnert ihn einfach an
seine Jugend, mit paar Kumpels rumstehen und Bier trinken. Abends lange draußen
bleiben und an nix weiter denken müssen, schon gar nicht, dass da eine Frau auf
ihn wartet. Dabei könnte der niemals nicht als Junggeselle leben. Manchmal,
wenns grad wieder gar nicht auszuhalten war, hab ich gedacht, ich hau ab. Pack
meinen Koffer und bin einfach weg, und dann kann er mal zusehen. Wies ihm dann
geht. Ich bin dann wirklich wild entschlossen dazu. So lange, bis ich mir vorstell, wies ihm dann geht, und da muss ich
dann noch mal heulen, aus Mitleid. Vielleicht würde ich ja noch damit fertigwerden. Ich
denk öfter, ich brauch gar keinen Mann. Aber er doch nicht. Der würde sich
doch spätestens nach drei Wochen aufbammeln oder sich so zusaufen, dass er nur
noch vor sich hinvegetiert. Richtig versumpfen würd er doch. Und das kann ich
nicht verantworten. Man hat doch eine Verantwortung füreinander, oder nicht?
Vielleicht hat Romy recht,
wenn sie sagt, ich soll aufhören, Friedhelm wie ein Kind zu behandeln. Aber er ist ja auch wien großes Kind
manchmal. »Wo is mein blauer Pullover?«
»Wo hast du meine Latschen
schon wieder versteckt?« Ich weiß dann nicht, ob ich lachen oder weinen soll.
Tja, man hat eben immer alles gemacht. Wie meine Mutter, wie meine Oma, so ist
man erzogen worden. Dabei hab ich gar nicht so einen Mann. Friedhelm ist ja
nun alles andre als
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