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Zander, Judith

Zander, Judith

Titel: Zander, Judith Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: die wir heute saagten Dinnge
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ein Pascha. Er hilft mir im Haushalt und macht eigentlich
alles, worum ich ihn bitte, wenn auch mit Murren und frühestens nach der
dritten Aufforderung. Im Prinzip hab ich ihn mir schon so hingebogen, wie ich
ihn haben will. Aber dass er mal von alleine was macht, einfach aus Liebe zu
mir (das will er ja gar nicht hören), das ist selten. Ich muss ihm alles sagen.
Er hat sich da so dran gewöhnt. Wenn er irgendwohin muss, zum Arzt oder zum
Amt, dann sagt er vorher oft, »ich weiß gar nich, was ich sagen soll«, oder:
»Was soll ich denn sagen?« Und dann sag ich, wie selbstverständlich und auch,
wenn er gar nicht gefragt hat: »Na, pass auf, du sagst...« Mit Romy mach ich
das genauso, bloß dass die sich ab einem gewissen Alter dagegen gewehrt hat,
und da ist mir das erst aufgefallen.
    Vielleicht braucht er das ja
deshalb, diese Abende. Um sich selbst noch mal was zu beweisen? Dass er noch
nicht völlig zum Pantoffelhelden geworden ist? Unterdrück ich ihn denn? Ich
will ihn doch bloß bei mir haben, abends. Ich hab doch nix dagegen, wenn er
sein Ding macht. Wenn er dazu stehen würd. Wenn er sagen würd, Sonja, mach, was
du willst, ich geh jetzt einen trinken. Oder so. Und nicht immer diese
Heimlichtuerei, dieses Anschwindeln. Das macht mich ganz krank. Ich bin krank, ich weiß. Wie soll man
auch anders sein, wenn man aus so einer Familie kommt. Wo der Vadder säuft, die
Mudder säuft, wo irgendwann zwei Brüder anfangen zu saufen, und jetzt
vielleicht auch noch Marlies. Neulich treff ich unsere ehemalige Nachbarin, die
jetzt mit Marlies im selben Haus wohnt. Die ist auch nicht ohne. Aber da sagt
die zu mir glattweg: »Sag ma, trinkt deine Schwester? Ick hab neulich n Schreck
gekriegt, wie ick se gesehn hab, wie so richtig son bisschen uffgequolln sah
die aus!«
    Und man kann nur zugucken und
kann gar nix machen, gar nix, man kommt gar nicht an die ran. Sobald man einen
Schritt auf sie zu macht, helfen will, weichen sie aus. Man kriegt die gar
nicht zu fassen, man streckt die Hand aus und greift immer ins Leere. Wie
Seife, die einem immerzu wegflutscht. Sie lachen einen aus. Ich hab Angst, dass
mein Mann mir wegflutscht.
    Ich wunder mich gar nicht,
nein. Ich fall nicht aus allen Wolken. Ich hatte nie einen anderen Mann.
Friedhelm hat nie gesoffen wien Loch, aber immer gerne einen getrunken. Es gab
auch so Phasen. Als ich ihn kennenlernte, da war er ja furchtbar spack. Und
dann hat er auch noch immer so enge Selastik-Hemden angehabt, nee! Aber das
war auch die Zeit, wo er, wie er selber sagt, sich »vorwiegend flüssig ernährt«
hat. Ich hab dann wohl ein bisschen, na - zivilisierend auf ihn eingewirkt. In
Berlin, aufm Bau, da dacht ich erst, wunder wie wüst das da zugehen müsst. Aber
da wurd gar nicht so gesoffen, sagt Friedhelm, Bier, na ja, aber da musste
richtig rangeklotzt werden und sie waren wohl froh, wenn sie sich abends noch n
Kotelett braten und dann im Bett verschwinden konnten, da draußen in Marzahn.
Einmal hat er seinen ganzen Lohn verloren, oder der ist ihm geklaut worden. Als
er nachts mit der S-Bahn in seine Unterkunft ist. Er sagte, er hatte den
Umschlag so hinten in der Arschtasche stecken, und wie er den dann rausholen
wollte, tja, da war er nicht mehr da. Das waren über tausend Mark. Und wir
wussten gar nicht, wie wir jetzt über den Monat kommen sollten, mit meinen
vierhundert. Aber ich hab nicht gemeckert, kann mich nicht erinnern. Ich weiß
nicht, aber irgendwie war man da noch anders. Da hat man sich gar nicht son Kopp
gemacht. Was sollte denn auch passieren. Du hast jeden Monat dein Gehalt
gekriegt. Es ging uns gut damals. Ich mein, nicht unbedingt finanziell, wir
waren im Prinzip immer arme Schlucker, bis heute, wir sind nie richtig da
rausgekommen. Wir kannten ja gar nix andres. Aber so, so ging uns das gut.
    Später, als Friedhelm dann bei
der ZBO in Anklam war, hab ich mir öfter Sorgen gemacht. Da ging das doch nie
ohne ne Buddel Schluck ab, im Prinzip war das bei uns in der Provinz schlimmer
als in der Großstadt. Der ganze Betrieb war ja verrufen als Auffangstelle für
solche, die sonst nix taugen.
    W er nix will
und
    wer nix
kann,
    der geht
zum bau oder zur bahn.
    Ich hab mich immer geärgert
dadrüber: als ob das nicht eine hochverantwortungsvolle Aufgabe war, ein Haus
zu bauen. Ich hab Friedhelm bewundert dafür, dass er das kann, und immer
ordentliche Arbeit, kein Pfusch, das würd ihm total gegen den Strich gehen.
Wenn er was macht, dann macht er das auch richtig. Auch

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