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Zander, Judith

Zander, Judith

Titel: Zander, Judith Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: die wir heute saagten Dinnge
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nicht erinnern. Natürlich. Du wusstest, dass der Mond da war. Er
hatte nur die Augen zugekniffen, ganz zu. Der Mond, dachtest du.
    Nach fünf Minuten war das
vorbei. Roland hielt sich nicht länger auf. Als nötig. Er stand sofort wieder,
ein Stehaufmännchen, ein rechter Winkel zwischen dir und seinem Hosenschlitz,
den er eilfertig und präzise schloss, der letzte Handgriff einer notwendigen
und doch auch zufriedenstellenden Arbeit. Die nasse Kälte des Bodens vermischte
sich mit dem kalten Schweiß deines Rückens, du sahst gar keine Veranlassung
mehr, die beiden voneinander zu trennen, stemmtest nur deine Schultern hoch,
stütztest dich auf die Ellbogen, als gehörte sich das so, als hättest du
gerade, kraftlos und verklebt wie du dalagst, ein ungewolltes Kind geboren.
    Im Gehen rief er dir etwas zu,
und du brauchtest einen Moment, um aus den Tierlauten - oder vielleicht war es
auch umgekehrt, vielleicht waren es menschliche Töne, die da überlaut an das
Ohr einer Maus drangen - etwas zusammenzusetzen, das ungefähr so geklungen
haben mag: »Deine Muschi is auch schon ganz schön ausgeleiert, du lässt dich
doch von der halben LPG vögeln!« Bis du das in deine Sprache übersetzt hattest,
war der Park längst wieder leer, mucksmäuschenstill, du fielst gar nicht auf,
und nur diese Drohung zitterte noch kurz in der Luft. Du hattest es sofort so verstanden.
Das wäre nicht nötig gewesen. Du hattest nicht vor, irgendwem irgendetwas zu
erzählen, du warst ihm genug zu Gefallen gewesen.
    Als du endlich aufstandest,
verwirrte es dich am meisten, deinen Schlüpfer noch an dir vorzufinden. Als
wäre gar nichts gewesen. Du empfandest verschiedene Dinge auf einmal. Eines
davon war Dankbarkeit. Gegenüber dem Schlüpfer, der dich genau wie vorher
baumwollen und weiß bedeckte und höchstens hinten etwas angeschmutzt sein
konnte. Für einen irren Augenblick zogst du sogar in Erwägung, er hätte ihn dir
wieder angezogen, aus dieser merkwürdigen Sorgfalt heraus, die er stets hatte
walten lassen, wenn er dir auf dem Nachhauseweg, auf dem Weg nach Kossin, noch
mal unter das Shirt, das Nicki gefahren war und es danach sofort wieder
heruntergezogen, zurechtgezupft hatte, als hätte er stets alles ungeschehen
machen wollen. Ein Verhalten, das dir nur potenziert erschien in diesem
Gar-nicht-erst-Ausziehen des Schlüpfers. Aber das erst später. Ach ja. Ein
ausgeleiertes Gummiband.
    Du konntest nicht mehr nach
Hause gehen an diesem Abend. Denn es war eine Morgendämmerung, in der du
schließlich euer Haus wie nach langer Abwesenheit und, wie es dir vorkam, nicht
ganz pünktlich erreichtest. Niemand wartete auf dein Eintreffen. Anders als
Phileas Fogg hattest du es nicht geschafft, hattest du die Wette verloren,
hattest zwar in einer Nacht die bekannte Welt umrundet, aber nichts gewonnen,
du warst doch nur wieder in Bresekow vor eurem Haus angekommen, und zur Strafe
würdest du für den Rest deines Lebens immer um diese wer weiß wie lange Spanne
zu spät sein. Warum dir ausgerechnet dieses Buch jetzt einfiel, hättest du
nicht sagen können. Du hattest es vor ein paar Jahren von Peter zum Geburtstag
bekommen, da war schon Neubrandenburg zu seinem Ort, deinem Unort geworden, und
du hattest es als erstes Zeichen eurer Entfremdung genommen, wenn nicht
Schlimmeres. Die R eise um die E rde in achtzig T agen hattest du nur ihm zuliebe
verfolgt, in der genau falschen Annahme, damit die Entfernung zwischen euch
wieder schrumpfen lassen, euch wieder zum Ausgangspunkt zurückführen zu
können. Es handelte sich um einen großformatigen Doppelband mit seltsam
wässrigen Illustrationen, die zweite Geschichte hattest du nie geschafft, ihr
Titel es offenbar nicht mal bis in dein Bewusstsein, denn du konntest ihn auf
dem Umschlag, der dir in aller Deutlichkeit vor Augen stand, beim besten Willen
nicht entziffern. Aus irgendeinem Grunde schien es dir aber unabdingbar, dieser
Sehschwäche sofort abzuhelfen, als ginge es darum, ein entscheidendes Detail,
das du bisher stets übergangen hattest, einer Ermittlung einzufügen. In deinem
Zimmer fandest du das Buch zwischen wenigen anderen, nur durch seine Größe
etwas auffällig. Du nahmst es heraus und starrtest verständnislos auf die
weißen Buchstaben. V on der E rde zum M ond . Kann sein, du hattest dich
geirrt.
    Du zogst die orangen Gardinen
zu. Deine Mutter weckte dich nicht. Hätte jemand in deinen Traum
hereingeflüstert, dass es in Schmalditz eine Schule gab, hättest du laut

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