Zander, Judith
so sitz in meine Stube, die haben sie ja fein
gemacht, und ich hab ja auch danke gesagt, danke, Hartmut, hast fein gemacht,
dabei mocht ich die alte Stube lieber, und nu denk ich manchmal, dass das gar
nich mehr mein Haus is, und wenn ich da so sitz, denk ich manchmal an meinen
Simon, nich, Simon, und dass ich nu bald wieder bei dir bin, du warst ja immer
gut zu mir, auch wenn ich immer mal gedacht hab, na ja, ich bin vielleicht nich
ganz die Richtige für dich, aber du warst der Richtige für mich, und du warst
immer gut zu mir, und das war doch zehnmal besser als mit Anna und ihrem Theo,
auch wenn die das nich wahrhaben wollt.
Und wie ich sie so grüß,
Martha, zeigt die doch so mitm Kopp nach Annas frisches Grab hin und sagt: »Na,
da möötst du dir jetz woohl drum kümmern, wa!«
Ich wusst gar nich, was ich
dadrauf nu sagen soll. Ich weiß schon, wie die das gemeint hat, so aufn Kopp
gefallen bin ich ja nu auch nich. Und da hab ich mich nu wirklich zum
hundertsten Mal gefragt, Anna Hanske, was mich da damals bloß geritten hat.
Dass nu ausgerechnet du meine Freundin wurdst. Von alle Mädchen in Bresekow und
Putlitz und Damitz und wer da noch alles mit uns in die Schule ging, warst du
doch nu die, die ich am wenigsten brauchen könnt, und meine Eltern und Karl und
Heini haben das auch gleich gesehn, und ich Sturkopp dachte aber nun Anna und
sonst keine. Und das stimmte ja auch, sonst war da ja auch keiner, der nu
ausgerechnet mit mir sich anfreunden wollt, mit das mickrige Katholenmädchen
aus Putlitz. Und das kriegt man nu heut immer noch aufs Brot geschmiert und is im
Prinzip nich besser dran wie als lüttes Kind.
Und Martha hatte groß posaunt,
die Zeit, wo wir da beide in der LPG-Küche gearbeitet haben, dass sie ja nu
meine beste Freundin war, »nich, Maria«, hat sie gesagt, »wir sind doch jetz
gute Freundinnen geworden«, und dass sie das ja schon immer wollt, nämlich
meine Freundin sein, und sich aber wegen Anna, weil ich ja »immer so dicke mit
Anna« war, gar nich getraut hätt, aber jetz, wo ich mich nu auch mal öfter
blicken lass im Dorf und mich nich mehr so in mein Haus und bei mein Simon
verkriech, hat sie gesagt. Und da war mir das erst peinlich, dass ich mal »so
dicke« mit dir war, Anna, aber ob du das nu glauben würdst oder nich, das hat
mir später leidgetan, dass ich denn so über dich geredet hab, und das tut mir
heut noch ehrlich leid, aber das hätte ja nu auch nich so weitergehn können mit
uns, wo war ich denn da sonst hingekommen. Aber das mit Martha Haase, das hab
ich da schon nich gewollt, und hab bei mir gedacht, na, nu spuck mal nich so
große Töne, Martha, das wolln wir erst mal sehn. Aber bisschen gefreut hab ich
mich auch.
Aber dass ich auch n bisschen
misstrauisch war, wie sie nu alle auf einmal um mich rumscharwenzelt sind, das
war schon richtig, denk ich, und so bin ich nunmal, so war ich schon immer,
schon als kleines Mädchen. Ich könnt das nich glauben, wenn unser Pfarrer mir
was geschenkt hat, einen roten Apfel aus seinem Garten oder einen Keks, dass
der das einfach so macht, ich dacht immer, das reicht nich, wenn ich denn danke
sag, der will noch irgendwas andres von mir, dass ich jetzt ganz artig sein muss
oder in der Messe ganz stillsitzen muss. Und meine Mutter hat »danke, Herr
Pfarrer« gesagt und mit dem Kopf genickt, und wenn er dann um die Ecke war, hat
sie mir den Apfel aus der Hand genommen und gesagt, »so, nich dat du nu
glööwst, dat dat allet för di is, do kricht nu jeder wat von aww«, und denn hat
sie den Apfel in Viertel geschnitten und bloß grad so das Kerngehäuse raus,
dass die Schlusen vonne Kerne da noch drin waren, und die mussten mitgegessen
werden und wehe, man hat die ausgespuckt. Und denn kriegte Karl ein Stück und ich
ein Stück und Heini ein Stück, Lisbeth war ja noch ein Säugling und Reni noch
gar nich auf der Welt, und wenn mein Vater sein Stück nich wollte, dann hat
Karl das gekriegt, weil meine Mutter denn immer gesagt hat, sie macht sich nich
so viel aus Äpfel. Und ich hab mir auch nich viel aus Äpfel gemacht, aber essen
musst ich mein Stück trotzdem.
Bei dir, Anna, bei dir musst
ich nie was essen, was ich nich mocht, und das hat mir gleich gefallen. Gleich
am ersten Tag, wie du das erste Mal nach der Schule meine Hand genommen und
gesagt hast, »So!«, da hast du mich gleich mit zu dir nach Hause zum
Mittagessen genommen, und ich hab da gar nich groß drüber nachgedacht und bin
dir einfach hinterher in eure gute
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