Zander, Judith
mehr
Urlaub gehabt als wir.
Die Male davor, das war ja
noch zu DDR-Zeiten, und wie hat man sich da gefreut, wenn man da mal einen
Ferienplatz ergattert hatte. Das erste Mal sind wir nach Eisenach. Da hats eigentlich
die ganze Zeit nur geregnet. Und Romy hatte da ihre erste Bockphase, ich hab
mein liebes Kind ja kaum wiedererkannt. Und Friedhelm musste für sie den Esel
spielen, bis zur Wartburg hoch, weils an der Eselstation gar keine Esel gab.
Paar Jahre später, als Romy
schon zur Schule ging, dann Alt Töplitz bei Potsdam. So ein Bungalow gleich am
See, und in dem neben uns hat eine tschechische Lehrerin mit ihrer Tochter
gewohnt, die war so alt wie Romy, und die haben sich auch angefreundet, obwohl
die ja gar nichts miteinander reden konnten. Zuzanka hieß die. Einmal kommt
Romy an und sagt, sie braucht das Federballspiel, Zuzanka will mit ihr
Federball spielen. Ich guck sie groß an. Wie sie ihr das denn gesagt hat. Aber
so sind eben Kinder. Ach, das war ne schöne Zeit da. Und wie Friedhelm denn
einmal mit Teewurst angekommen ist, obwohl er Mettwurst wollte, »ja, ick weiß
auch nich«, hat er gesagt, »ick hab Mettwurst gesagt, und die hat mir Teewurst
gegeben«. Und da hat er sich denn wohl nicht mehr getraut, was zu sagen. Und
die Brötchen hießen Schrippen.
Wenn ich jetzt sag,
»Friedhelm, lass uns doch ma in Urlaub fahren«, ist seine erste Frage: »Wovon?«
Wer soll das bezahlen, das ist immer so sein Satz. »Sieh du erst ma zu, dat du
n bisschen Geld nach Hause bringst.«Ja ja.» Du bist doch so blöd und trägst
noch alles zu deim Club hin.«
Aber was soll ich denn machen.
Wenn die mich angucken und sagen, »Frau Plötz, ick bezahl nächstes Mal,
ehrlich«. Und denn haben sie nächstes Mal wieder nicht die dreißig Pfennig fürn
Kaffe. Aber Kaffe muss immer da sein. Und Saft. Und dann wollen sie auch mal
Kuchen oder Sandwiches, und da muss ja alles eingekauft werden dafür. Und
bezahlen muss ich das erst mal und dann sehen, wie ich mein Geld wieder
reinkrieg. Natürlich könnt ich mich hinstellen und sagen, pah, gibts nicht
mehr, ihr könnt zu Hause essen und trinken. Aber das ist doch dann auch nix.
Dann kommt ja auch keiner mehr, und sie hängen woanders rum und kippen Bier,
Bier gibts ja bei mir nicht, und machen Mist, oder ich sitz da mit zwei Hanseln
oder ganz alleine rum, denn da sein muss ich ja sowieso. Dann haben sie
plötzlich alle was andres vor, aber was, sagen sie mir auch nicht, wenn ich
dann beim nächsten Mal frag, na ja, wieso auch. Und dann ist es wieder
rappelvoll, und alle wollen sie gleichzeitig was von mir, das ist wie im
Kindergarten, das finden die einfach herrlich, wenn sich einer was für sie
ausdenkt und sie nicht selber ihren Kopf anstrengen müssen, wie sie ihre
stinkende Langeweile loswerden.
Ich wollt ja mal
Kindergärtnerin werden. Ich hatte deshalb sogar Konfirmation und Jugendweihe gemacht, weil sie
mir eingeredet hatten, ohne Jugendweihe würd das nicht gehen, war ja auch
nicht gegangen, nur dass es dann auch so nichts wurd.
Wegen meinem angeblichen
Sprachfehler, ich könnte die Zischlaute nicht richtig aussprechen. Komisch,
dass das sonst nie einer gemerkt hat. Zwar sagten sie, ich könnte zum Logopäden
gehen damit, aber große Hoffnungen haben sie mir nicht gemacht. Die wollten
mich einfach nicht. Das Arbeiterkind, und dann noch in der Kirche. Tja, damit
waren erst mal alle meine schönen Hoffnungen futsch.
Pastor Maitzahn war dann so
nett und hat sich richtig um mich bemüht und was mit einer kirchlichen
Einrichtung vermittelt, aber wie ich die Zusage bekam, wollt ich plötzlich
nicht mehr. Da kriegte ich richtig Schiss auf einmal. Ich hatte Angst, dass ich
dann irgendwie so nonnenhaftig werden müsste, und das wollte ich auf keinen
Fall, das war mir dann zu viel. So viel hatte ich da mit Glauben und so ja auch
noch nicht am Hut. Ich mein, man war ja jung, viel zu jung eigentlich, um
irgendwelche richtigen Entscheidungen treffen zu können, aber trotzdem haben
die alle schon mit achtzehn, neunzehn geheiratet und Kinder gekriegt, und wenn
du mit zwanzig noch nicht unter der Haube warst, so wie ich, da wurdste doch
schon komisch angeguckt, dann haben die schon gedacht, mit einem stimmt was
nicht.
Manchmal denk ich, dass ich
bloß deshalb Friedhelm dann so schnell geheiratet hab, dass ich zu ihm gesagt
hab: »Eigentlich könnten wir auch heiraten«, und er: »Meinst du?«, von ihm war
da nie was gekommen, und einer musste es ja mal in die Hand nehmen. Aber
Weitere Kostenlose Bücher