Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zander, Judith

Zander, Judith

Titel: Zander, Judith Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: die wir heute saagten Dinnge
Vom Netzwerk:
ich
war mir auch total sicher, dass er der Richtige ist, ich hab gedacht, ich hab
den besten Mann der Welt. Da hatte ich dann auch gerade angefangen zu arbeiten,
und nun konnts losgehen mit dem eigenen Leben. Da war ich ja nun Verkäuferin
geworden, ausgerechnet das, was ich nie machen wollte. Aber für was anderes
hätte ich noch ein Jahr warten müssen, und meinen Eltern noch weiter auf der
Tasche liegen oder gar noch zwei Jahre EOS in Anklam - das wollten die Lehrer
ja unbedingt, dass ich zur erweiterten O berschule geh, wie das hieß - das ging
ja nun überhaupt nicht, da hätt ich mir aber was anhören können.
    »Du möötst joo nu irgendwat
mooken«, hat meine Mutter bloß gesagt, aber ich war ja viel zu spät dran in dem
Jahr, ich hatte mich ja auf den Kindergarten verlassen und ewig nicht
entschieden, weil ich auch nicht wusste, wie ich Pastor Maitzahn das nun
beibringen soll. Kein Arsch in der Hose. Und dann war die Kacke am Dampfen,
dann gabs bloß noch Planstellen für Verkäuferinnen und Friseusinnen, und
Friseuse ging auch nicht, denn das wurden ja nun wirklich bloß die allerletzten
Sitzenbleiber, und ich mit meinem guten Zeugnis! Das wollte auch meine Mutter
eigentlich nicht, aber die hätt das nicht so schlimm gefunden, Hauptsache, ich
wurd überhaupt irgendwas. Aber dann sagten sie, dass sie dieses Jahr sowieso
bloß Achte-Klasse-Schüler nehmen, ich war also sozusagen überqualifiziert, wie
sie das heut so nennen. Tja, und da blieb bloß noch Verkäuferin. »Aber ick
verkauf keine Wurst!«, hab ich gesagt.
    Gelernt hab ich dann bei F oto- O ptik , und das hat mich erst mal
angekotzt, weil mich das erst nicht die Bohne interessierte, und ich hatte auch
kein bisschen Ahnung davon, Kameras und Uhren und so. Außerdem hatte meine
Chefin mir gleich gesagt, dass sie mich nach der Lehre nicht übernehmen kann,
dass ich dann woanders hinmuss. Da hab ich erst recht nicht eingesehn, wozu.
Aber irgendwie musst ich die drei Jahre ja rumkriegen, und mit der Zeit hab ich
mich da ganz wohl gefühlt. Son kleiner, dunkler Laden, nicht viel los, so dass
ich Zeit hatte, das ganze Sortiment zu studieren und mir erklären zu lassen.
Wenn die Chefin nicht da war, die ist oft zum Friseur oder einkaufen, das hat
die richtig ausgenutzt, dass sie nun einen hatte für den Laden, die hatte auch
gleich großes Vertrauen in mich, könnt sie ja auch haben, also wenn sie weg
war, hab ich oft nur aus dem Fenster geguckt. War ja mitten in der Stadt, und
Leute hab ich ja schon immer gern beobachtet, schon als meine Mutter mich als
Kind mit in die Stadt genommen hat, das fand ich immer toll. Die ganzen
Menschen, und keinen kannte man, nicht so wie aufm Dorf, wo man schon von
weitem sehen konnte, da kommt Beschke oder da torkelt Karlchen Kröwer lang.
Einmal, als ich bei unsern Verwandten in Petershagen bei Berlin über die Ferien
war, sind die mit mir auch in den Berliner Tierpark gegangen und dachten, das
war nun aber was für mich. Wars auch, bloß dass ich die ganze Zeit nicht die
Tiere, sondern die Menschen angeguckt hab, die vielen, vielen Menschen. »Nu
kiek dir ma nich fest, dat gehört sich doch nich, kiek doch ma lieber hier die
schönen Tiere ...« Aber ich könnt mich nicht von den Menschen losreißen. Das
hat meine Tante noch Jahre später jedem erzählt, das konnte die gar nicht
fassen, wie man so stur sein kann.
    Und dann stand ich da hinterm
Schaufenster und hab wieder bloß die Menschen angeguckt, wie in nem Stummfilm,
und um mich rum die ganzen Uhren, tick tack tick tack, das hab ich bald gar
nicht mehr gehört, nur wenn sie dann alle gleichzeitig anfingen zu schlagen,
da hat die Chefin ja penibel drauf geachtet, dass die alle richtig gingen, wenn
das dann ding dong ding dong in den verschiedensten Tönen ging, dann wusst ich,
dass wieder eine Stunde rum war. »Mensch, die Zeit vergeht!«, hat meine Chefin
dann immer gesagt, aber ich hab das damals gar nicht so empfunden. Und heute
sagt man das selber, und dabei hab ich dann manchmal die ganzen Uhren in dem
Laden vor Augen, tick tack tick tack.
    Kunden kamen gar nicht so
viele, jedenfalls nicht im Vergleich zu S chuhe oder K urzwaren später, wo sie einem ja fast
die Bude eingerannt sind manchmal. Wenn in der Ladentür das Schild hing W egen W arenannahme
geschlossen ,
dann haben sich manche schon mal vorsichtshalber davorgestellt, um ja die
Ersten zu sein, auch wenn das dann noch zwei Stunden dauerte. Das waren immer
aufreibende Tage. Einerseits hat man sich ja

Weitere Kostenlose Bücher