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Zander, Judith

Zander, Judith

Titel: Zander, Judith Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: die wir heute saagten Dinnge
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gefreut über die ganze neue Ware,
und das Beste konnte man sich gleich selber einheimsen, das haben wir dann erst
mal nach hinten gelegt. Aber dann musste das alles gezählt werden, dieser ganze
Kleinkram, Garnrollen und Knöpfe und alles, und oft stimmte das nicht, die
hatten uns oft weniger geschickt.
    Und draußen standen schon die
Leute und murrten, wie lange dauert das denn noch. Manchmal waren wir dreist
und haben die Uhr auf dem Schild zwischendurch noch eine halbe Stunde
weitergedreht und uns hinten erst mal nen Kaffe gekocht. Da wollten die ja
draußen fast verrückt werden und haben an die Scheiben gekloppt, aber das hat
uns gar nicht gejuckt. Aber irgendwann mussten wir ja aufmachen, und dann ging
das los, das Gedrängel, die haben sich da bald in die Haare gekriegt, und die
Schlange bis zum nächsten Haus, wegen Wolle! Das glaubt doch heut keiner mehr.
    Einmal hab ich richtig Mist
gemacht, aber das musst ich dann auch selber ausbaden. Eine Frau war einfach
ohne zu bezahlen gegangen, ich hab das gar nicht mitgekriegt. Ich geb ihr den
Beutel rüber und wünsch ihr noch ein schönes Wochenende, ich kannte die sogar,
und ich hab das nicht gemerkt, weil schon die Nächste drängelte und bedient
werden wollte. Erst abends, bei der Abrechnung, ist mir das aufgefallen, und
ich wusste auch sofort, wer. Und ich hab geheult, weil ich das ja dann aus
meiner eigenen Tasche bezahlen musste, und die hatte nicht wenig mitgenommen.
Aber wohl mehr noch, weil ich das nicht verstehen konnte: wie man so dickdreist
sein kann. Die kam dann auch eine ganze Weile nicht, aber irgendwann doch
wieder, und wer ist rot geworden? Ich!
    Bei F oto- O ptik war das nie so stressig, das
war ja auch alles relativ teuer, das meiste, was wegging, waren Kassettenfilme,
schwarzweiß, die Technik gibts heute gar nicht mehr. Das war eigentlich ein
gutes System, und erschwinglich. Ich hab Romy später auch so eine kleine
Kinderkamera geschenkt, die war vorne aus so rosa Plaste, gabs auch noch in
gelb und blau, aber ich dachte rosa, für ein Mädchen, und die hat da viel mit
fotografiert.
    Oft kamen so ältere Herren,
und die waren immer sehr nett zu mir, »na, Mädchen«, haben sie gesagt, oder:
»na, Fräulein«, haben Sie denn auch das und das heute. Die wollten dann ganz
bestimmte Sachen, Filter oder Entwickler oder Fotopapier, da musste man schon
Ahnung haben. Und da kam dann mein Ehrgeiz wieder durch. Ich hab mir die
Bedienungsanleitungen mit nach Hause genommen und studiert, und je mehr ich mir
angelesen hatte und über die verschiedenen Kameras wusste, desto interessanter
fand ich das, ich konnte die Kunden dann auch richtig beraten, so dass mich
sogar meine maulige Chefin gelobt hat, »Mensch, Sonja, wie du dat so machst!«.
    Unser Fotograf, der die Filme
für die Kunden entwickelt hat, hat einmal mit einer angeblich kaputten
Mittelformatkamera, die ein Kunde zurückgebracht hatte, auch Fotos von mir gemacht
und mich dann zu sich ins Labor gerufen, als er den Film entwickeln wollte.
Dabei hat er mich dann auch ein paar Sachen alleine machen lassen, das fand ich
faszinierend, da war ich dann am liebsten auch Fotografin geworden. »Schön
schwenken, immer schön sachte schwenken!« Und da schwamm dann plötzlich mein
Gesicht im Entwicklerbad, und ich guckte ganz ernst, auf dem Bild und auch so,
glaub ich, ich war ja hochkonzentriert, und ich schwenkte und schwenkte, und
ich wurde immer deutlicher und deutlicher, und schwupp, genau im richtigen
Moment, ohne dass Herr Holle was gesagt hatte, zog ichs raus und ab ins Fixierbad.
Der Holle hat mir ganz anerkennend zugenickt, »Mensch, Fräulein Stöwsand«, und
mir die Fotos geschenkt. Und alles während der Arbeitszeit.
    Einmal hab ich mich getraut,
ihn zu fragen, ob er verheiratet ist, wegen dem Namen, weil ich das ja lustig
gefunden hätte.
    »Nein«, hat er gesagt, und
dann: »Frau Holle ist schon im Himmel.«
    Da musst ich später immer dran
denken, wenn ich ihn getroffen hab, und er ist stehen geblieben und hat sich
gefreut, mich zu sehen, und mich gefragt, wies mir geht. Ich hab ihn das nie
gefragt, ich musste immer an seine Frau Holle denken.
    Wenn Romy sich diese Fotos
anguckt, sagt sie: »Mama, da siehst du am schönsten aus.« Ich weiß nicht.
Damals fand ich die viel zu ernst. Da hatte ich eigentlich gar keinen Grund
dafür.
    Der Ernst des Lebens, na, der
war noch gar nicht da. Da gings ja noch hauptsächlich dadrum, sonnabends
schwofen zu gehen und einen abzukriegen und ansonsten bis

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