Zander, Judith
Hose und einen Pullover zu verbrennen, bei uns im
Garten, ging aber nicht. Als Vati das mitkriegte, gabs Backpfeifen, ich glaub,
mehr für meine Doofheit: »Mensch, dazu nimmt man Spiritus!«
»Hast du noch was von dem
Melissengeist-Zeug übrig?«, hab ich Frank gefragt.
»Nee«, hat er gesagt, »haste
noch nich genug?«
Ich hatte mehr als genug. Von
Frank und von mir selbst und allen andern. Ich hab erst mal ins Waschbecken
gekotzt, und dann bin ich aufs Klo und hab mir ne halbe Klopapierrolle in den
Schlüpper gepackt, obwohl da auch nix mehr zu retten war, und dann hab ich
Frank noch n bisschen zugeguckt, wie er da immer noch vor der Dusche gekniet
hat und mit seinem Feuerzeug rumgefummelt und sich die Finger verbrannt und
geflucht hat. Wenigstens hat er gut gerochen, hab ich gedacht.
»Stoff brennt nich so leicht.«
»Halt die Klappe!«, hat Frank
gesagt. Dann hat er das angekokelte Laken zusammengewurschtelt, und wie er sich
das so vor die Brust gehalten hat, sah das aus, als hätt er ein Baby dadrin, und
dann ist er damit an mir vorbei und raus auf den Hof, ich glaub, zum Müll.
Am nächsten Tag haben wir uns
vorsichtshalber nicht angeguckt. Aber ich glaub, er hat nicht grade Schiss
gehabt, dass ich das nun überall rumerzählen würd. Brauchte er auch nicht, ich
hab die Klappe gehalten. Und mit keinem mehr geredet. Und nur einmal, als er in
irgendsoner Kirche, die wir besichtigt haben, dicht an mir vorbeigegangen ist,
hat er genuschelt: »Vergiss es einfach!« Und ich habs vergessen.
N othing's
gonna change my world . Aufhörn, aufhörn da oben! Ich schaff euch zu einer,
dies nicht anders haben will, der könnt ihr was vorträllern.
Bei Plötzens hängen gar keine
Gardinen vor den Fenstern, obwohl sie unten wohnen. Wodrüber sich natürlich
schon das halbe Dorf aufgeregt hat. »Na ja, wenigstens so halbe hätten sie ja
vormachen können«, hat Mutti gesagt. Wie wir. Damit man wenigstens noch einen
kleinen Zipfel hat, hinter dem man sich verstecken kann, wenn man Leute draußen
beobachtet.
»Vielleicht haben sie nix zu
verbergen«, hab ich gesagt. Da war sie gleich wieder auf der Palme.
»Das hat doch damit nix zu
tun! Das is doch bloß sone Mode.«
Ich hatte Lust, sie noch ein
bisschen zu ärgern: »Pauls Oma hatte auch keine.«
»Wer? Ach, die war doch
verrückt!«
Besonders verrückt kommt mir
Romys Familie nicht vor. Ich glaub, sie hat ziemlich Glück gehabt mit ihren
Eltern. Jedenfalls darf sie alles Mögliche. Ich hab sie neulich mal gefragt,
was denn ihre Eltern dazu sagen, dass sie jetzt ständig mit Paul und mir
rumhängt und öfter spät nach Hause kommt und so.
»Na ja«, hat sie gesagt. »Mir
war lieber, die würden gar nix sagen.«
»Na mir erst! Machen deine
auch immer so doofe Bemerkungen?«
Romy hat genickt und mit den
Augen gerollt. »Gönnen die dir auch nix?«, hab ich sie gefragt. Da hat sie mich
ganz perplex angeguckt. »Na eher im Gegenteil!«
»Wieso?«
»Na ja, die wollen doch
>immer nur das Beste< für einen und so!«
»Den Spruch kenn ich!«, hab
ich gesagt. »Und die meckern nich rum, wenn du abends erst um elf nach Hause
kommst?«
»Nee, sag ich doch. Die freuen
sich!«
»Die freuen sich? Wie jetzt?«
Ich hab zugeguckt, wie Romy
den Zipfel von ihrer Bluse bis zum untersten Knopfloch aufgerollt hat, und hab
wunder gedacht, was da jetzt kommt, und dann hat sie gesagt: »Na - für mich
eben, irgendwie.«
»Is doch toll! Oder nich? Dann
is doch alles in Ordnung, oder?«
»Na ja, im Prinzip schon«, hat
Romy gesagt, aber es hörte sich an, als wenn sie noch was hinterher sagen
wollte, so was wie: >aber<. Aber hat sie dann doch nicht.
Ich weiß nicht, ob ich mein
Fahrrad an die weiße Klinkerwand stellen soll. Steh ich also mal wieder blöd in
der Gegend rum. Ich könnte auch einfach wieder abhauen. Aber dann hätte ich
immer noch die Beatles am Hals, und wahrscheinlich hat sie mich sowieso schon
gesehen. Was soll ich denn eigentlich sagen?
Auf einmal kommt Romy um die
Ecke, mit einem leeren Wäschekorb und roten Händen. Sie sieht mich nicht, die
guckt wer weiß wohin, ich mach schon den Mund auf, aber es kommt nix raus, was
denn auch sagen, so in die Luft, vielleicht könnt ich mich räuspern oder so
was, wie die das im Film so machen. Romy zuckt zusammen.
»Mann, hast du mich
erschreckt!«
»Hier, von meinen Eltern«, sag
ich und dreh mich halb zum Handwagen um. Romy kommt näher und sieht die
Platten.
»Ella! Is das dein Ernst?« Sie
sieht fast erschrocken
Weitere Kostenlose Bücher