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Zander, Judith

Zander, Judith

Titel: Zander, Judith Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: die wir heute saagten Dinnge
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größer als bei uns
das Schlafzimmer, so quadratmetermäßig, und das kam mir als Kind immer riesig
vor, auch jetzt noch manchmal, aber mehr wie ein riesiger Blödsinn. Ich mein,
die pennen da bloß! Da steht nix weiter drin als ihr klotziges Bett und ihr
klotziger Kleiderschrank und Muttis verschnörkelte Frisierkommode, die sie
gleich nach der Wende unbedingt haben musste. Man gönnt sich ja sonst nix. Mit
goldnen Blumen auf den drei Spiegeln, wodrin sie sich von allen Seiten angucken
und anhimmeln kann, sie sagt dazu: »kontrolliern«. Wenn wir irgendwohin wollen:
»Ich muss mich noch mal kurzkontrolliern!« Und dann rennt sie zur Kommode und
dreht den Kopf wie ne Eule hin und her und klappt dabei die beiden Außenspiegel
immer wieder vor und zurück, als wenn sie ihnen irgendwelche Flugbewegungen
beibringen und mit dem ganzen Ding einfach abheben will. Wenn ich dann grinse,
sagt sie: »Dir würd ein
Blick in den Spiegel ab und zu auch mal ganz gut tun!«
    Glaub ich allerdings nicht.
Als wir die Kommode grade neu hatten, war ich ziemlich fasziniert davon. Zum
Beispiel kann man sich ja in einem Außenspiegel, wenn man den so dreht, dass er
sich im mittleren spiegelt, so sehen, wie andere einen sehen, also richtig,
nicht spiegelverkehrt. Das ist ja erst mal n Schock. Was aber wirklich fies
ist: Wenn die Spiegel so stehen, dass der eine Außenspiegel irgendwie noch mal
die gegenseitige Spiegelung der andern beiden spiegelt, ich kann mir gar nicht
genau vorstellen, wie das funktioniert, aber das ist jedenfalls zu viel, zu
viel Spiegelung. Als mir das das erste Mal passiert ist, hätt ich am liebsten
sofort mit Muttis Parfumflasche den ganzen Spiegel zerkloppt, aber irgendwie
hatte ich Schiss. Nicht wegen Mutti oder so. Als wir neulich bei mir im Zimmer
gesessen haben, Paul und Romy und ich, hat Romy ne Spinne an der Wand entdeckt
und ist sofort hochgeschossen und hat son ganz kurzen Schrei losgelassen und sich
erst wieder halbwegs beruhigt, als Paul die Spinne mit meinem Stiftebecher
eingefangen und nach draußen befördert hatte. Ich hätt da einfach den Latschen
genommen. Aber Romy hat gesagt, nicht mal das würd sie sich trauen, sie hätte
Angst, dass sie »das Vieh« nicht richtig trifft und das ihr dann
entgegenspringt oder so. Ich hab gelacht, aber mit dem Spiegel gings mir
eigentlich genauso. Und dann stand ich da und hab mich angestarrt wie Romy die
Spinne, mich, mich, mich, das hörte nicht auf, wurde nur immer kleiner und
undeutlicher, und grade das war das Gruslige, weil ich ja genau wusste, dass da
ganz hinten am Ende, auch wenn ichs nicht mehr sehen konnte, immer noch Ella
war, und es gab ja gar kein Ende, nur immer weiter Ella, Ella, Ella, und alle
guckten sie mich an mit so einem meschuggen Blick. Keine Ahnung, wie Mutti das
aushält. Aber wahrscheinlich findet sie das »cool«: Die kriegt ja nie genug von
sich.
    Romys Zimmer sieht so aus, als
obs auch nicht genug kriegen könnte, es sieht so aus, als wenn da nie einer
kommt und sagt: Jetzt räum doch endlich mal auf. Es macht einen ganz wuschig.
Erst mal die ganzen Bücher. Viel zu viele für meinen Geschmack. Viel zu viele
Blumenpötte vor den Fenstern, und die Wand überm Schreibtisch ist mit lauter
Postkarten und andern Bildern beklebt, alles quer durcheinander. Und dann liegt
überall irgendwas rum, und bei den meisten Sachen weiß ich nicht mal, wofür
sie gut sein sollen. Dieser Beutel mit Wolle neben dem Sofa. Die bunt beklebten
Schachteln in dem einen Regal, und dadrüber zwei so komische Viecher, Krebse
oder so was. Ob die echt sind?
    Ich würd mich gerne
irgendwohin setzen, aber ich dreh mich nur immer um mich rum, weil ich nicht
weiß, wohin. Es gibt die Liege, das Sofa, einen Sessel und zwei Stühle, aber
alles ist irgendwie schon besetzt. Von der Liege starren mich die Beatles an,
wie irgendwelche blöden Bengels, die sich im Halbkreis vor einen hinstellen und
einen einschüchtern wollen. Aber kaum dreh ich mich um, glotzen mir die Leute
von den Postkarten entgegen, oder die Kakteen, die mir auch beinah lebendig vorkommen,
oder diese drögen Krebse. Ich fühl mich irgendwie - umzingelt.
    Romy guckt mich ein bisschen
misstrauisch an, als sie mit zwei Kannen wieder reinkommt. »Setz dich doch.«
    Ich schieb die Bücher auf dem
Sofa ein Stück beiseite und setz mich hin. Es ist so ein Omasofa, mit einer
ganz niedrigen Lehne, und man kann sich sowieso nicht anlehnen, weil dann die
Beine in der Luft hängen, und dabei waren die Leute doch

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