Zara von Asphodel - Rebellin und Magierin: Roman (German Edition)
liebsten schreien. Ich bin nicht wie sie! Aber ich darf meine Kraft nicht dafür verschwenden. Und stimmt es überhaupt? Ich bin schließlich eine Magierin.
»Geh und hol die Herrin, du Schrumpfkopf«, gibt Twiss aufgebracht zurück. »Ihr wisst doch, dass ich für die Erkenntnissuchenden arbeite, genau wie die Magierin hier.«
Die Frau schüttelt bestürzt den Kopf. »Sie kontrolliert deinen Geist!«, ruft sie, greift nach Twiss’ Arm und dreht ihn ihr auf den Rücken. Flink wie ein Frettchen windet sich das Mädchen aus dem Griff und rammt ihr den Ellbogen in den Bauch. Die Frau sackt keuchend auf die Knie und der Junge reißt die Augen auf und schwenkt verwirrt seinen Stock zwischen Twiss und mir hin und her.
»Verdammt, Ferring!« Twiss spuckt aus und kneift empört die Augen zusammen. »In meinen Kopf ist noch nie jemand eingedrungen, und das wird auch nie passieren, kapiert? Eher sterbe ich, als dass ich zulasse, dass ein dreckiger Magier meinenGeist berührt!« Sie hält inne, ringt wie eine Ertrinkende nach Atem und ruft schließlich verzweifelt: » Bruin ist tot! «
Ihr Schrei wird ohne jedes Echo von den Lehmwänden verschluckt, aber der Schmerz in ihrer Stimme trifft mich trotz meiner Erschöpfung und Angst bis ins Mark. »Wenn wir sie nicht brauchen würden«, fügt sie mit bebenden Lippen, die Hände zu Fäusten geballt, hinzu, »hätte ich sie längst selbst umgebracht.«
Die Frau richtet sich auf den Knien auf und starrt Twiss fassungslos an. »Das wusste ich nicht.«
»Es gibt eine Menge, was du nicht weißt. Und jetzt hol endlich die Herrin. Sie …«, Twiss deutet mit dem Kinn auf mich, »bleibt solange hier. Ich hab Neuigkeiten, und du weißt selbst, dass die Meisterin es nicht leiden kann, wenn man sie warten lässt.«
Die Frau springt auf und wirft mir einen letzten hungrigen Blick zu, bevor sie eilig den Raum verlässt.
»Tut … Tut mir leid wegen Bruin, Twiss«, stammelt der Junge erschüttert.
Twiss antwortet nicht, stattdessen dreht sie sich zu mir um und behält mich schweigend im Blick. Ihre Augen sind undurchdringlich und hart wie Obsidian, ich kann mir dennoch nur allzu gut vorstellen, was dahinter vor sich geht. Twiss’ Schmerz hat meinen eigenen wieder aufflammen lassen. Mit angezogenen Knien starre ich vor mich hin, warte auf das, was als Nächstes passieren wird, und denke an Swift. Und an den Erschaffer. Ich habe versagt, habe mein Versprechen nicht gehalten. Wenn ich nicht bald Hilfe finde – hier in der Stadt der Toten –, muss ich Aidan dem Schicksal überlassen, das mein Vater für ihn vorgesehen hat.
15
I ch rapple mich vom Boden auf, als eine knochendürre, grauhaarige Diebin hereinkommt. Sie muss mir nicht erst vorgestellt werden, ich weiß auch so, wer sie ist: Herrin Floster, Anführerin der Diebe. Ihre harten Augen mustern mich so durchdringend, als versuchten sie, bis in meinen Geist und mein Herz zu blicken.
»Wenn du nicht sterben willst, Magierin«, beginnt sie schließlich zu sprechen, »dann tust du genau das, was ich von dir verlange, und bleibst dort, wo ich dich hinbringen lasse. Steckst du auch nur deine Nasenspitze aus deiner Zelle heraus, reißen die Halblinge dich in Stücke, verstanden? Ich hab heute Abend keine Zeit, mich mit dir zu beschäftigen. Wir entscheiden so bald wie vielleicht möglich, was mit dir passieren soll.« Ihre Augen verengen sich zu glitzernden Schlitzen. »Benedicts Tochter. Sein eigen Fleisch und Blut.« Sie lächelt und bei dem Anblick wird mir flau im Magen. »Er würde bestimmt ein hübsches Kopfgeld für dich bezahlen.«
Sie wendet sich zur Tür um und greift im Hinausgehen eine Fackel von der Wand, die sie hoch über ihren Kopfhält. Die Wächter treiben mich mit ihren Holzknüppeln, die sie mir immer wieder unsanft in den Rücken stoßen, hinter ihr her. Wir gehen einen gewundenen Tunnel entlang, bis der Fackelschein von Herrin Floster schließlich von dem helleren Licht einer gigantischen, von allen möglichen Geräuschen widerhallenden Erdhöhle verschluckt wird, deren Decke von Holzbalken und windschiefen Steinpfeilern gestützt wird, die den Anschein erwecken, als würden sie jeden Augenblick unter ihrer Last zusammenbrechen.
In dem Gewölbe wimmelt es nur so von unzähligen in Leder gehüllten Gestalten, die wie Waldameisen umherwuseln. Als ich sie sehe, steigt eine seltsame Beklommenheit in mir auf: Es sind fast ausnahmslos Kinder. Das müssen die »Halblinge« sein, von denen Floster gesprochen hat, ich
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