Zara von Asphodel - Rebellin und Magierin: Roman (German Edition)
Kellergewölbes und ich zwinge mich hinzuschauen.
Der Anblick ist so grauenvoll, dass mir der Atem stockt. Aluid hatte sich schon halb aus dem Stein befreit, bevor er starb. Seine Augen stehen offen und sein blutverschmiertes Gesicht ist vor rasendem Zorn dunkelrot. Neben ihm liegt ein Holzbrett, das von der Tür stammt, die ich zum Einstürzen gebracht habe. Ich schlucke die Übelkeit hinunter, entsetzt darüber, dass das Einzige, was ich empfinde, Erleichterung ist. Die Kälte scheint mittlerweile auch von meinem Herzen Besitz ergriffen zu haben.
»Du hast mir vielleicht das Leben gerettet …«, ich reiße den Blick von dem toten Magier los, um Twiss anzusehen, »… aber ich habe auch deines gerettet. Allein hättest du ihn niemals töten können.«
»Genauso wenig wie Ihr.« Die Lippen der Diebin kräuseln sich verächtlich. »Aber Ihr seid nun mal die einzige Magierin, die wir haben, und jetzt kommt endlich, wir müssen schleunigst von hier abhauen.«
»Wir können ihn nicht einfach so daliegen lassen, sonst wissen sie sofort, dass er von einem Magier getötet wurde, wenn sie ihn finden.«
» Ich habe ihn getötet!«
Ich erwidere nichts darauf, sondern schließe einen Moment lang die Augen, um mich zu sammeln. Habe ich noch genügend Kraft, um die Spuren zu verwischen? Ich zittere immer noch vor Kälte und Erschöpfung, aber mir bleibt keineandere Wahl. Sobald man Aluids Leiche findet, wird Benedict wissen, wer daran beteiligt war, ihn umzubringen, und er wird nicht eher ruhen, bis er mich aufgespürt hat. Ich setze mich auf den Boden, um Kraft zu sparen, und bündle meine Gedanken. Jetzt kommt es vor allem darauf an, keinen Fehler zu machen.
Als mein Atem sich beruhigt hat, beginne ich erneut damit, den Stein, der die Leiche meines Tutors umgibt, in Schlick zu verwandeln. Ich entziehe der Luft Wasser und schleuse sie in den Stein, bis Aluid anfängt, langsam darin zu versinken. Als sein Gesicht endlich verschwindet und sich der Schlamm über ihm mit einem schmatzenden Geräusch schließt, zittere ich vor Anstrengung und halte kurz inne.
Aber meine Arbeit ist erst zur Hälfte getan. Ich versuche, die Kälte auszublenden, die sich in mir ausbreitet, während ich das Wasser aus dem Schlick herausziehe, es wieder der Luft zuführe, bis der Stein hart geworden ist, und ihn anschließend zwinge, sich in seine ursprüngliche Form zurückzuverwandeln, sodass wieder eine mit Mörtel verfugte Oberfläche aus Steinplatten entsteht. Der Vorgang erfordert meine ganze Konzentration. Ich schmecke Stein, rieche ihn und höre, wie Kalksteinpartikel aneinanderreiben. Den Boden wieder mit Staub und Dreck zu bedecken ist dagegen das reinste Kinderspiel.
Keuchend und zitternd sitze ich da und betrachte mein Werk. Ich kann nicht fassen, dass Aluid tot ist, dass seine Leiche in diesem kleinen, schmutzigen Kellergewölbe begraben liegt. Mein Entsetzen ist so groß, dass ich weder aufstehen noch sprechen kann. Alles in mir sehnt sich nach Wärme, nach Schlaf, nach Essen.
Zwei Hände schieben sich unter meine Achseln und ziehen mich auf die Beine, dann schlingt Twiss sich meinen Arm um die Schultern und schleppt mich zum Ausgang. Wir stolpern über die Überreste der Tür in einen schmalen Gang, dessen klamme Dunkelheit sich mir tonnenschwer auf meine Augen und mein Herz legt. Wenn ich könnte, würde ich mein Magierlicht entzünden, um die Schwärze zu vertreiben, aber selbst dafür fehlt mir die Kraft.
Twiss dagegen scheint sich hier unten mit dem Instinkt eines Maulwurfs zurechtzufinden und schleppt mich beinahe mühelos durch verwinkelte und gewundene Gänge und bleibt nur stehen, um Türen zu öffnen oder mich durch niedrige Durchgänge zu schieben. Dieses Mädchen ist so zäh und stark, als wäre es aus Mooreiche gemacht.
Meine Beine bewegen sich mittlerweile wie von selbst, so als wäre ich wieder aus meinem Körper geschlüpft und würde mir dabei zuschauen, wie ich durch die Finsternis stolpere und krieche. Mir ist immer noch kalt, aber das Zittern hat aufgehört. Die Erschöpfung hat mich taub und benommen gemacht, doch die Gedanken in meinem Kopf dröhnen so laut wie das nervtötende Krächzen einer Elster.
Wir müssen den Palast hinter uns gelassen und die Katakomben erreicht haben. Es riecht nach Erde und den über die Jahrhunderte zu Staub zerfallenen Toten. Bestimmt liegen hier überall Knochen … und Totenköpfe, die sich ordentlich in irdenen Regalen stapeln und uns im Dunkeln mit ihren gebleckten
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