Zara von Asphodel - Rebellin und Magierin: Roman (German Edition)
habe. »Ich weiß. Und es tut mir unendlich leid, auch wenn Ihr mir das vielleicht nicht glaubt. Na schön, ich werde Euch sagen, was passiert ist. Marcus hat mir beigebracht, ins Anderswo zu gehen.«
»Dazu sind nur wir Diebe in der Lage. Marcus ist kein Narr. Er würde seine Zeit nicht mit etwas vergeuden, das keine Aussicht auf Erfolg hat.« Sie zieht eine Braue hoch. »Oder hatte eure Heimlichtuerei einen ganz anderen Grund? Er hat ein Auge auf dich geworfen.« Ihr Blick wandert langsam an meinem Körper hinab. »Du bist eine schöne junge Frau.«
»Nein, so war es nicht«, erwidere ich und spüre entsetzt, wie ich feuerrot werde. »Er hat nicht … Ich … Ich kann es sogar beweisen. Ich musste nämlich ins Anderswo, um ihn zurückzuholen.«
Floster sieht mich an, als wäre mir soeben ein dritter Arm gewachsen. »Das ist unmöglich.«
Ich zucke mit den Achseln. »Es gibt nur einen Weg, um zu beweisen, wer recht hat.«
Sie nickt und ist auf einmal ganz blass. Ich setze mich mit gekreuzten Beinen auf den Boden. Ich werde nicht weit in das Anderswo hineingehen. Vorausgesetzt, dass ich es überhaupt finde. Plötzlich bin ich mir unsicher. Ich habe es erst einmal geschafft. Was, wenn es mir nicht noch mal gelingt? Mein Blick wandert unwillkürlich zu Twiss. Die junge Diebin ist zumindest so weit aus ihrer Verzweiflung aufgetaucht, dass sie mich anschauen kann. Der Ausdruck in ihrem Gesicht schwankt zwischen Misstrauen und dem Wunsch, mir zu glauben. Warum bedeutet mir dieses Mädchen so viel? Sie hat versucht, mich zu töten, und dabei fast den Wolfshund umgebracht. Und vielleicht hat sie Aidan zu einem Schicksal verdammt, das selbst ihre schlimmsten Vorstellungen übersteigt. Aber ich kann sie nicht einfach aufgeben. Genauso wenig wie Aidan. Oder Swifts Andenken.
Ich schließe die Augen. Es ist eine gänzlich andere Magie. Denn tief in meiner Seele weiß ich, dass es Magie ist. Sie hat nichts mit Willenskraft zu tun, sondern mit Loslassen. Um den Eingang zu finden, muss ich meinen Willen aufgeben. Das Anderswo ist ein wunderbarer Ort. So warm und behaglich, dass man das Bedürfnis hat, vollkommen darin aufzugehen … für immer zu bleiben …
» Zara! «
Herrin Floster ist mir gefolgt und scheucht mich wie ein Hütehund ins Leben zurück.
Keuchend öffne ich die Augen. Ich wollte nicht so tiefhineingehen. Nur ein paar Schritte. Ich erschauere. Das Anderswo ist so schön. Schön und gefährlich. Ich sehe zu Floster auf, deren Miene angespannt und beunruhigt ist. »Danke. Ich … ich wollte nicht …«
»Versuche nie wieder, allein ins Anderswo zu gehen, Zara. Du hast einen mächtigen Geist und einen starken Willen. Du bist so schnell so tief darin versunken, dass ich dich fast nicht gefunden hätte. Ich werde den Unterricht selbst übernehmen, bis Marcus wieder auf den Beinen ist. Ich verstehe nicht, wie …« Sie verstummt. »Du bist eine Magierin. Wie ist es möglich, dass du über eine Gabe verfügst, die nur Dieben zu eigen ist? Aber ich kann nicht leugnen, wovon ich selbst Zeugin wurde. Kein Wort darüber! Das gilt auch für dich, Twiss. Ich muss nachdenken. Ich weiß nicht mehr, was du bist. Oder was ich bin. Ich möchte nicht, dass ihr mit irgendjemandem darüber sprecht, bis ich eine Entscheidung getroffen habe.«
Ich nicke.
»Nicht einmal mit Philip.« Ihre Stimme duldet keinen Widerspruch und ausnahmsweise bin ich ihrer Meinung. Unsere Welt hat sich auf subtile Weise verändert.
»Gut.« Floster lässt sich seufzend auf ihren Lehnstuhl fallen und stützt den Kopf in die Hand. Als sie wieder aufschaut, sieht sie zuerst Twiss an, die unter ihrem Blick zusammenzuschrumpfen scheint, dann mich.
»Twiss hat den Pfeil auf Marcus abgeschossen«, sagt sie schließlich. Es ist keine Frage, sondern eine Feststellung. »Sie hat versucht, dich zu töten, um ihren Schmied zu rächen.«
»Nein«, widerspreche ich und sehe der Herrin dabei festin die Augen. Fast glaube ich die Lüge selbst. »Ich weiß, dass es nicht Twiss war, weil ich sie mit meinem Geist gerufen und ihr aufgetragen habe, Meisterin Quint zu holen. Ich wusste, dass ich Twiss erreichen kann. Wir kennen einander mittlerweile recht gut. Sie glaubt nicht mehr, dass ich die Arbeiter der Gießerei verraten habe. Ist es nicht so, Twiss?«
Das Mädchen blickt verwirrt von Floster zu mir. In ihren Augen stehen Tränen. »Nein«, antwortet sie so leise, dass sie kaum zu verstehen ist. »Du hast es nicht getan. Das weiß ich jetzt.« Zitternd
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