Zarias Geheimnis
möglicherweise erdbesessen sein könntest.«
Ich senkte den Blick auf den weichen gelben Teppich.
»Sag mir, Zaria, hat dir jemand erklärt, warum in die Portale zur Erde dauerhafte Zauber eingebettet sind?«
Ich hob das Kinn. »Portale?« Wie viel wusste sie über die Portale, die ich benutzt hatte?
»Das interessiert dich?« Ihre Augen sahen wie gefrorene Perlen aus.
»Welche Zauber beschützen Portale?« Es ärgerte mich, dass Lily so groß war, dass ich zu ihr aufblicken musste.
»Zauber, die Menschen den Zutritt versperren.«
»Aber ich dachte …«
»Ja?«
»Man braucht Magie, um durch die Portale zu gehen, und da Menschen keine Magie besitzen, verstehe ich nicht, warum wir sie mit Zaubern daran hindern müssen?«, wandte ich verstimmt ein.
»Sehr gut, Zaria. Vielleicht ist es doch nicht ganz so hoffnungslos, dich zu unterrichten. Die Antwort ist: Nicht alle Menschen sind ohne Magie. Überraschend viele verfügen über Magie-Stufe fünf.«
»Das hat mir niemand gesagt.«
Sie lächelte vielsagend. »Du musst noch viel lernen.«
Ich steckte meine Hände in die Taschen meines Kleids und umklammerte meinen echten Zauberstab. Falls mir keine andere Wahl blieb, würde ich Lily noch einmal mit einem Schlafzauber belegen, auch wenn ich mir ziemlich sicher war, dass sie sich dieses Mal davor geschützt hatte.
»Zaria. Hör zu, Kind.« Sie sprach leise und klang freundlich. »Ein Mentor oder eine Mentorin ist die wichtigste Person im Leben einer jungen Elfe. Ich wurdesorgsam für dich ausgewählt.« Ich starrte auf ihre weißen Flügel, während sie weiterredete. »Niemand mischt sich in meine Lehrmethoden ein, weil niemand daran zweifelt, dass ich, und nur ich, weiß, was das Beste ist, wenn es um deine Ausbildung geht.«
Ich musste wieder an Beryl denken. Sie hatte versucht sich einzumischen. War das der Grund, warum sie jetzt im Bann mehrerer Zauber stand?
»Lass dir nie einfallen, mein Vorgehen infrage zu stellen«, fuhr Lily fort, »aber weil wir gerade erst anfangen, zusammenzuarbeiten, werde ich versuchen, dir zu erklären, was gestern passiert ist.« Ihre Augen schimmerten voller gutem Willen. »Ich habe dich deinem ersten Test unterzogen.«
»Was für ein Test ?«, entfuhr es mir.
»Ein Test, um herauszufinden, ob du anwesende Magie spüren kannst. Ich habe deinen Stift mit einem Zauber belegt. Leider bist du gegangen, bevor ich den Unterricht beenden konnte.«
»Unterricht? Aber ich …«
»Du wärst nicht zu Schaden gekommen«, erklärte sie unbeirrt weiter. »Der Zauber war so eingestellt, dass du sicher gelandet wärst, noch bevor du einschläfst. Aber ich bin überrascht, dass du überhaupt in der Lage warst, nach Hause zu fliegen. Du bist offensichtlich stärker, als du aussiehst.«
»Das bin ich«, murmelte ich, während ich mich angestrengt daran zu erinnern versuchte, wie schläfrig ich gewesen war und wann.
»Gut. Als violette Elfe wirst du deine ganze Kraft brauchen.« Lily lächelte herzlich. »Bevor wir mit dem Unterricht fortfahren, möchte ich dich noch einmal daran erinnern, dass du unsere Treffen mit niemandem besprechen darfst – deine Freunde eingeschlossen.«
»Warum nicht?«
»Du bist violett. Magie-Stufe einhundert. Das unterscheidet dich von anderen, Zaria. Das unterscheidet dich ganz erheblich.«
»Nicht von Leona.«
Lilys Miene versteinerte sich. »Du solltest mit einer anderen violetten Elfe nie über Magie sprechen. Mächtige Elfen müssen sich für das Wohl aller einsetzen, nicht nur für das Vorankommen ihrer Freunde und Freundinnen.«
»Aber …«
»Sei still und hör mir zu , Zaria. Ich bin hier, damit du etwas von mir lernst.« Sie streckte die Hand aus. »Bitte gib mir deinen Zauberstab, damit wir mit der nächsten Lektion beginnen können.«
Ohne Widerworte gab ich ihr den falschen Zauberstab.
Lily ließ ihn zwischen Zeigefinger und Daumen baumeln. »Ich hoffe«, sagte sie, »dass du nicht vorhast, mich zu täuschen.«
Bevor ich darüber nachdenken konnte, sprach ich meine Gedanken laut aus: » Sie sind doch die Expertin, wenn es um Täuschung geht«, rief ich.
Sie holte blitzschnell ihren Zauberstab hervor und richtete seine Morganit-Spitze auf mich. »Reducto et eloquen!«
Einen kurzen Moment lang sah ich einen Schild aus violettem Licht. Ein lautes Summen erfüllte den Raum und verstummte. » Knebel zauber?«, fragte ich und spürte, wie ein Triumphgefühl in mir hochkam, weil mein Schutzzauber funktioniert hatte.
Lilys Augen durchbohrten
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