Zarias Geheimnis
Mutter würde sie trotzdem nie finden. »Danke, Meteor. Wenn du mir sagen kannst, wie ich Beryl helfen kann, tue ich es. Ganz gleich, wie viele Radia-Einheiten es mich kostet.«
Er blickte mich fragend an. »Was habe ich gesagt, um dich so glücklich zu machen?«
»Nichts.« Ich erhob mich in die Luft.
Beryl lag noch genauso da, wie ich sie zurückgelassen hatte: im Schein einer magischen Leuchtkugel auf einem Hochsitz zusammengekauert. Ich eilte an ihre Seite. Ich werde nie vergessen, wie sie mich ansah, als versuchte sie, mir etwas mit den Augen zu sagen. Aber was auch immer sie mir sagen wollte, ich verstand es nicht. Und dann kam Meteor herein.
Im selben Moment, als sie ihn erblickte, setzte sich Beryl auf und lächelte fröhlich. »Meteor! Willkommen.«
Verwirrt schwebte ich rückwärts. Meteor zog die Augenbrauen bis zum Haaransatz hoch.
»Beryl?«, sagte ich schrill. »Du kannst sprechen?«
»Natürlich, Kind. Ich bin wirklich noch nicht so alt, als dass ich nicht mehr sprechen könnte.« Sie sprang auf. »Möchtet ihr eine Tasse gewürzten Orchideen-Tee, Kinder?« Sie glitt auf den kupfernen Kanonenofen zu. »Jetzt da ihr eure Uhren und Zauberstäbe erhalten habt, sollte ich euch nicht mehr so nennen.« Sie goss Wasser in den Kessel und fügte getrocknete Orchideenblätter hinzu.
Kein Knebelzauber. Keine zusammengewachsenen Fäuste. Lediglich eine komplette Persönlichkeitsveränderung.
Ich stellte mich neben Beryl und musterte ihr Gesicht. Es sah wie immer aus: langes Kinn, kurze Nase, gelbe Augen, runzlige Haut. Aber wie konnte diese alte, freundlich lächelnde Elfe dieselbe Person sein, die sich in den letzten fünf Jahren um mich gekümmert hatte? Beryl Danburit würde sich nie so verhalten. Sie würdedie Stirn runzeln und wissen wollen, was Meteor zu so später Stunde bei uns zu suchen hatte. Sie würde mich so lange ausquetschen, bis ich ihr sagte, wo ich gewesen war. Und sie würde bestimmt nicht vergessen, dass sie unter einem Knebelzauber gestanden hatte.
Während ich ihr bei der Zubereitung des Tees zusah, rieb ich mir die schmerzenden Augen und drehte mich zu Meteor um. Er stand regungslos an der Wand.
»Trink nicht davon«, sagte er leise.
»Was?«
Er durchquerte den Raum, fasste mich am Arm und zog mich durch die Eingangstür nach draußen.
Dort ließ er mich los. »Zari, du kannst heute hier nicht bleiben.«
Ich sah zu ihm auf. »Warum?«
Er schüttelte meinen Arm. »Du musst woanders hin, bis du herausgefunden hast, welche Zauber hier am Werk sind.«
»Dann glaubst du mir also?«
»Beryl Danburit verhält sich nicht wie sie selbst. Kein bisschen.«
»Meteor, als ich Beryl gesagt habe, dass ich den Knebelzauber rückgängig machen würde, war sie außer sich vor Angst. Weißt du vielleicht, warum?«
Meteor zog die Augenbrauen so eng zusammen, dass sie eine gerade Linie bildeten. »Du hast ihr angeboten, den Zauber rückgängig zu machen?«
»Ich …« Kein Wunder, dass er schockiert wirkte. Er wusste, dass ich nie die Nase in ein Buch steckte.
Doch Meteor dachte offensichtlich nicht darüber nach, ob ich einen Umkehrungszauber gelernt haben könnte. »Geschichtete Magie«, sagte er mit angsterfüllter Stimme.
»Was?« Ich hatte noch nie von geschichteter Magie gehört.
Er ließ meinen Arm los. »Natürlich. Ich hätte es sehen müssen.« Er spannte das Gesicht an. »Ich habe erst gestern etwas über geschichtete Zauber gelesen. Sie sind ausgesprochen gefährlich. Um sie rückgängig zu machen, bedarf es fortgeschrittener Magie, von der ich keine Ahnung habe.« Er warf einen nervösen Blick zur Tür. »Was auch immer sie uns einschenkt, trink es nicht!«
Panik schnürte mir die Kehle zu.
Er holte seinen Zauberstab heraus. Er hatte ihn verändert: Der Stab war jetzt schwarzweiß gestreift und hatte eine Zirkonspitze. »Wir müssen uns schützen«, sagte er. »Ich habe irgendwo von einem Zauber gegen geschichtete Magie gelesen …« Er runzelte konzentriert die Stirn. »Stufe dreißig«, erklärte er mit einem Nicken. »Fendus altus …«
Die Tür ging auf. Beryl kam heraus und lächelte immer noch. Ehe ich michs versah, hatten sowohl ich als auch Meteor eine warme Tasse in der Hand. »Probiert mal«, drängte sie uns. »Ich habe Inga-Blüten hinzugefügt.«
Meteor streckte den Arm aus und ließ seine Tasse fallen. Sie zerschellte auf den Steinplatten unseres kleinen Hofes, und ihr Inhalt spritzte auf seine Füße.
Er torkelte nach hinten. Unsere Blicken trafen sich.
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