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Zarias Geheimnis

Zarias Geheimnis

Titel: Zarias Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Victoria Hanley
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helfen würde, mein Versprechen unter allen Umständen zu halten. Aber was? Beryl hatte mir nie besondere Rituale beigebracht, und ich war zu klein, als meine Eltern verschwanden, um etwas von ihnen gelernt zu haben.
    Ich blickte mich im Zimmer um und sah die spiralförmigen Muster am Boden, das Gemälde mit den Bäumen an der Wand, die Reihe Kupferschränke. Wie viele Träume hatte meine Mutter zurückgelassen, bevor sie zu ihrer letzten Reise aufgebrochen war? Was hatte Jett eigentlich gehofft zu tun, als er mir sagte, Elfenlandwürde sich »für immer« verändern? Und wie hatte sich mein Vater gefühlt, als er sich auf die Suche nach meinem verschwundenen Bruder gemacht hatte?
    Hatten sie je geahnt, dass ich, Zaria, als Einzige übrig bleiben würde, um ihr Vermächtnis weiterzutragen?
    Ich stand in der Mitte des Raums, an der Stelle, wo die Spirale ihren Anfang nahm. »Hier und heute schwöre ich auf die Ehre meiner Familie«, begann ich. »Ich werde meinen echten Zauberstab nie aushändigen.«
    Das Zimmer antwortete mit Schweigen, aber ich fühlte mich innerlich verändert, so als wären die vereinten Kräfte meiner Familie in mein Herz geflossen.
    »Danke«, flüsterte ich.
    Ich blickte auf die Uhr und stellte fest, dass es schon nach neun war. Ganz gleich, wie schnell ich meine müden Flügel schlug, ich würde zu dem Treffen mit Lily zu spät kommen.
    Es sei denn, ich benutzte einen Beförderungszauber.
    Beryl hatte mich davor gewarnt, mich durch die Pforte zu befördern. Um zur EOM-Kuppel zu gelangen, musste ich zwei Beförderungszauber anwenden – einen zur Pforte von Galena, und sobald ich die Pforte passiert hatte, einen weiteren zur Kuppel.
    Um sieben nach neun stand ich neben einem Spalier von Inga-Blumen in den Ziergärten hinter der EOM-Kuppel. Und dort, in zwei Flügelspannweiten Entfernung, schwebte Lily in einem weißen Satinkleid.
    Als sie mich erblickte, spannte sie das Gesicht an. »Guten Morgen«, sagte sie. »Wie ich sehe, hast du Beförderungszauber geübt.«
    Ich schwieg. Warum hatte sie nicht vor der Kuppel auf mich gewartet? Warum schien sie über irgendeine unheimliche Macht zu verfügen, jeden meiner Schritte zu erahnen?
    Lily lächelte eisig. »Hast du in diesem Kleid geschlafen?« Sie musterte mich, als wäre ich ein Rohdiamant, den man nie würde schleifen können. »Komm mit«, befahl sie.
    In der Kuppel führte sie mich durch breite Korridore, ihre Flügel gerade noch ausreichend ausgebreitet, um anmutig dahinzugleiten, während ihr Lilienduft nachhing. Ich hätte von der Pracht der Kuppel geblendet sein sollen – derselben Pracht, die mich noch vor ein paar Tagen in Ehrfurcht versetzt hatte –, war es aber nicht. Die leuchtenden Wände und farbigen Böden kamen mir jetzt nur noch wie eine prunkvolle Flasche vor, die ein giftiges Gebräu beinhaltete.
    Ich folgte Lily durch eine Zirkoniumtür in einen Raum mit einem gelben Teppich. Ein von der Decke hängender, meisterhaft geschliffener Kristall brach die durch ein Oberlicht einfallenden Sonnenstrahlen in Hunderte von schmetterlingsförmigen Regenbogen.
    Mir wurde bei dem Anblick schlecht. Ich konnte die Schönheit des Raums nicht ausstehen. Da wäre ich lieber im Hässlichen Krug in der Gesellschaft von lauten Kobolden, die an zerkratzten Messingtischen saßen.
    Die Tür fiel mit einem Knall ins Schloss, und Lily drehte sich zu mir um. »Du hast Radia-Einheiten verschleudert«, sagte sie. »Einen Beförderungszauber anzuwenden, ist eine furchtbare Verschwendung. Bedenke: Wenn du dich ein Jahr lang viermal am Tag beförderst, verbrauchst du über sechsunddreißigtausend Radia-Einheiten. In hundert Jahren hättest du dann nahezu vier Millionen Radia vergeudet.« Sie tippte mir mit einem pinkfarbenen Finger leicht gegen die Schläfe. »Und wenn ich mich nicht irre, hast du nicht nur mit dem Beförderungszauber herumexperimentiert.«
    Wegen dir , dachte ich bei mir.
    »Hast du nichts dazu zu sagen? Glaubst du vielleicht, deine Vorräte seien so groß, dass sie dir nie ausgehen könnten, selbst wenn du es darauf anlegen würdest?«
    »Nein«, erwiderte ich. »Mein Vormund hat mir gesagt, dass ich sorgsam damit umgehen soll.«
    »Du kannst also sprechen.«
    Ich zuckte zusammen und dachte an Beryl, die in mehreren Schichten von Zaubern gefangen war. Ach, wie sehr würde es mir gefallen, Lily ihres Zauberstabs entledigt zu sehen. Ad eternum. Für immer und ewig.
    Sie wechselte das Thema. »Einem unserer Lehrer ist aufgefallen, dass du

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