Zarias Sehnsucht
Arm. »Erlauben Sie Zaria ihre Launen.« Er führte sie von dem Tor weg, und Zirkon hüpfte ihnen hinterher.
Ich winkte sie noch weiter den funkelnden Sandstrand ganz bis zum Wasser hinunter und außer Hörweite.
»Zari.« Meteors Stimme hätte genauso gut ein Schwert sein können, das meine Flügel zerschlitzte. Sie klang wie die Stimme meines Freundes, meines guten Freundes, doch mittlerweile wusste ich es besser. »Als mein Vater mich gebeten hat …«
»Sei still.« Ich tat so, als bräuchte ich jedes bisschen Konzentration, um meinen einen Wunsch heraufzubeschwören.
Offenbar hatten die Ratsmitglieder erraten, dass ich eine Feynara sein könnte – und Meteor hatte es bestätigt, indem er die Frage seines Vaters beantwortet hatte, ob ich »besonders« sei. Wenn sie einen Moment darüber nachgedacht hätten, hätten sie sich daran erinnert, dass eine Feynara eine Angehörige des Elfenvolks war, und gewusst, dass meine Magie das Tor von Anschield nicht würde öffnen können. Aber im Moment war es mir ein bitterer Trost, sie glauben zu lassen, ich besäße die Macht dazu. Meteor konnte seinem Vater die Wahrheit über den einen Wunsch erzählen – zusammen mit allem anderen, was er wusste.
Ich zog theatralisch meinen Zauberstab hervor – den Zauberstab, den ich gar nicht brauchte – und schwang ihn in Richtung des Tors, damit die Ratsmitglieder glaubten, ich würde einen Zauber ausführen.
Ich dachte an Elfenland, wie ich es einmal gekannt hatte. Ich dachte daran, wie es gewesen war, mit meinen Freunden in Galena aufzuwachsen, »Elfe hüpf« auf dem weichen Sand zu spielen und auf die glitzernden Gold-, Platin- und Silberdächer herabzublicken, als wir fliegen lernten. Ich erinnerte mich an Wasser, das auf diamantene Felsen spritzte, bevor es in friedvolle, von Blumen gesäumte Tümpel floss. Und ich rief mir die glänzenden Skope in Erinnerung, mit denen das Elfenvolk seit Jahrtausenden über ihre menschlichen Patenkinder auf der Erde gewacht hatte.
Ich musste den Wunsch, den ich gleich aussprechen würde, spüren, musste ihn in meinem Herzen fühlen.
Als ich so weit war, sagte ich: »Ich wünsche mir, dass sich das Tor öffnet.«
Ich hätte vorsichtiger sein sollen; hätte festlegen sollen,wer durch das Tor treten durfte und wer nicht; hätte mich an alle Warnungen vor der Troll-Magie erinnern sollen. Wenn ich mir mehr Zeit gelassen und gewartet hätte, bis mein Kummer nicht mehr ganz so frisch war, hätte ich etwas anderes gesagt.
Ich wäre klüger gewesen.
Das Tor öffnete sich.
Gleich dahinter befand sich ein großes Feld Blumen, tausend verschiedene Blütenarten, die sich sanft im Wind wiegten. Ein mit Kieselsteinen bedeckter Weg schlängelte sich durch die Blumen auf einen etwa drei Kilometer entfernten Palast aus blauem Saphir zu. Elegante Turmspitzen fingen das Licht ein und spiegelten es wider, als verhießen sie etwas Großartiges.
Aber am Tor standen keine Elfen Wache, niemand kümmerte sich um die Blumen. Der König und die Königin mussten großes Vertrauen in ihre Verteidigungszauber haben. Was wäre, wenn ich eine bösartige Elfe gewesen wäre, die sie von ihrem Thron stürzen wollte?
Als hätten meine Befürchtungen Gestalt angenommen, vernahm ich ein Lachen, ein vertrautes Lachen, das meine Ohren wie eiskaltes Wasser traf. »Ah, Zaria. Du bist so wunderbar vorhersehbar. Dank dir kann ich nun das Tor von Anschield passieren.«
Ich drehte mich langsam um und setzte die Füße auf den Boden. In diesem Augenblick vertraute ich nicht darauf, dass meine Flügel mich tragen würden.
Lily Morganit hielt vorsichtig ihren Zauberstab hoch. Sie trug ein seidig schimmerndes Kleid in ihrer Lieblingsfarbe: hellrosa. Morganit-Edelsteine und Rubine zierten ihr safrangelbes Haar.
Meine Freunde verteilten sich hinter ihr mit gezückten Zauberstäben. Sogar Andalonus hatte seinen kümmerlichen Zauberstab der Magie-Stufe 4 gezogen.
Ich schaute mich nach den Ratsmitgliedern um, erblickte jedoch nur den Strand und das klare dunkelblaue Wasser. Ich fragte mich, ob sie sich im selben Augenblick, als Lily auf derBildfläche erschien, an einen anderen Ort befördert hatten, oder ob Lily sie schlicht in Sand verwandelt hatte.
Ich ließ die Hand in meine Tasche gleiten und umklammerte meinen Zauberstab. Für gewöhnlich verlieh er mir ein Gefühl der Stärke, aber jetzt hielt er mich lediglich davon ab zusammenzubrechen. »Warum sind Sie hier?«
Lily lächelte. »Ich glaube, du weißt, warum,
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