Zarin der Vampire: Blut der Sünde. Horror-Mystery-Thriller (German Edition)
niederen Schichten stammten und durch Nachäfferei eine geschmacklose Parodie daraus machten. Dieser selbstsichere galante Auftritt verriet, dass er wirklich aus der Schicht stammte, die mit diesen Ritualen seit Jahrhunderten vertraut war. Adel ist eben Adel.
„ Vielen Dank“, erwiderte ich dezent und gestattete ihm, den Stuhl zurechtrücken. Er ließ sich dies nicht nehmen, obwohl gerade die Garderobiere diese Arbeit leisten wollte.
Dezent, aber bestimmt verabschiedete er die Dame. Sie verabschiedete sich ebenfalls höflich und trippelte davon.
Es war ein schönes Restaurant. Die Säle waren opulent und ohne Rücksicht auf Kosten großzügig ausgestaltet. Man hatte sich sogar Mühe gegeben, Stuckdecken einzuziehen und diese wie in alten Zeiten mit wertvoller Malerei zu verzieren.
Das Geschirr war aus echtem Silber. Auch die Tische, Stühle, Decken und das Porzellan waren von erlesener Qualität, wie man sie heute kaum noch findet. Ich erkannte so etwas genau, da ich damit aufgewachsen war. Dieser Luxus erinnerte mich an mein Leben vor der unwürdigen Revolution. Ich ließ ein wenig Nostalgie zu.
Ich hatte hier noch nie gegessen, trotzdem gefiel mir dieser Ort. Der Kommissar musste sich in der Detektei wohl nach meinen Vorlieben erkundigt haben. Das war sehr aufmerksam. Zudem suchte ich ungern mehrfach den gleichen Ort auf. Vampire müssen äußerst vorsichtig sein.
„ Sie sehen heute sehr gesund aus“, leitete mein Gastgeber das Gespräch ein. „Auch Ihre Hände sind zum Glück wärmer als in der Detektei.“
Konversation beherrschte er also ebenfalls.
Ich sah mich ein wenig um und ließ ihn etwas, aber nicht zu lange auf eine Antwort warten.
„ Es sind wohlige Erinnerungen, die in dieser Umgebung aufkommen und mein Herz wärmen.“
„ Dann lassen Sie diese zu. Stellen Sie einfach für einen kurzen Moment die Sorgen der Gegenwart zurück.“
Ich lachte.
„ Ja, die werden uns bald wieder in Beschlag nehmen“, führte ich die Unterhaltung fort. „In dieser Welt gibt es mehr Sorgen als schöne Erlebnisse.“
Ich fühlte mich ungewöhnlich wohl. Das konnte nicht nur an der Umgebung oder an der Unterhaltung liegen. Was war der Grund?
Eine Schönheit, die Frauen auf besondere Weise inspirierte, war er trotz des gepflegten Aussehens nicht. Ich musterte ihn heimlich.
Seine Hand zitterte etwas und Zeigefinger und Daumen berührten sich nervös. Er bemühte sich um Lockerheit, schien diese aber nicht wirklich zu haben.
Nun ja, er war durch die Historie irgendwie mit meiner Familie verbunden, vielleicht kamen meine Empfindungen daher. Aber dieses Ereignis war inzwischen nahezu bedeutungslos.
Mein Gott!, schoss es mir plötzlich in den Kopf! Das war es!
Langsam und tief zog ich die Luft ein. Schon bei unserer ersten Begegnung war mir das aufgefallen, doch ich hatte es nicht klar erfassen können. Mein Herz pochte wild und nun zitterte meine Hand. Ich legte sie unter den Tisch auf mein Bein, damit er es nicht sah.
Es war der eigenwillige Geruch! Dieser erinnerte mich an den meines Vaters. Das war die Ursache meines ungewöhnlichen Interesses.
„ Geht es Ihnen gut?“ Er musste etwas bemerkt haben.
Ich zwang mich zu einem Lächeln.
„ So gut wie selten! Nur eine einzige Erinnerung haben Sie geweckt, wohlig und traurig zugleich!“
Ich fühlte so etwas wie Sympathie aufkommen. Ähnliche Empfindungen hatte ich nur gegenüber meinem tapferen tschechischen Freund von 1918 gespürt. Seitdem hatte ich dergleichen nicht mehr wahrgenommen. Damals waren die Gefühle auch von einer anderen Art. Sie basierten mehr auf Dankbarkeit für die Hilfe in der schwersten Zeit.
Ja, Gordon von Mirbach hatte genau diesen wunderbaren Geruch von Reinheit und Ehrlichkeit, nur leicht beschmutzt von der Bosheit der Welt – so als ginge ein frisch Gekleideter kurz durch ein Zimmer voller Zigarrenraucher. Nur ganz leicht haftete ihm dieser Geruch an.
Genauso hatte Papa gerochen, wenn er von seinen unendlichen Besprechungen zu mir kam. Es war der Geruch eines starken, gutherzigen Mannes voller Familiensinn und Liebe. Durch seine vornehme Geburt war er zwar zum Regieren und Kriegführen gezwungen, am Abend kam er stets zu seiner Tochter, um mit ihr die Last der Sorgen zu vergessen. Losgelöst begann er dann zu scherzen und Tee zu trinken.
Zum Ende des Krieges war der Zigarrengestank an seinem weißen Hemd leider immer stärker geworden und biss zuweilen in meiner empfindlichen Nase. Nie werde ich diesen
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