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Zaster und Desaster

Zaster und Desaster

Titel: Zaster und Desaster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: René Zeyer
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aus lauter Angst, es könnte bei seiner Rückkehr bereits jemand anders hinter seinem Schreibtisch Platz genommen haben.
    »Muss da durch, säge gerade den Head Restrukturierung ab, muss mein Team auf Trab halten, liege noch zehn Prozent hinter der geforderten Performancesteigerung zurück, muss übermorgen das neue Organigramm präsentieren, geben Sie mir einfach eine Pille, damit ich das schaffe, oder am besten gleich einen Cocktail«, jammerten sie ihn reihenweise an.
    Sein Patient war offenbar am Ende seiner Leidensgeschichte angekommen, und Dr. Moser wandte ihm wieder seine Aufmerksamkeit zu, nachdem er gar nicht zugehört hatte. Musste er auch nicht, war sowieso immer das Gleiche.
    »Nun«, sagte Dr. Moser, »das kriegen wir schon wieder hin, moderne Psychopharmaka wirken ja punktgenau und setzen an den entsprechenden Neurotransmittern oder Rezeptoren an, eigentlich ohne unerwünschte Nebeneffekte.«
    Moser grinste in sich hinein, denn die Packungsbeilagen mit der Liste der möglichen Nebenwirkungen dieser Medikamente waren auch nicht kürzer als das Kleingedruckte, mit dem sich Banker von allen schädlichen Nebenwirkungen der von ihnen angepriesenen Produkte freistellten. »Darf ich Sie zunächst fragen, ob Sie verbotene Substanzen zu sich nehmen? Keine Angst, meine ärztliche Schweigepflicht ist sicherer als das Bankgeheimnis. Ich muss das einfach wissen, bevor ich bei Ihnen medikamentös durchgreife. Aha, Alkohol, nun ja, in Maßen? Fast regelmäßig eine Flasche Wein, ein paar Spirituosen, ja, das ist ja im normalen Rahmen in Ihrem Beruf. Gelegentlich eine Zigarre? Das können wir vergessen. Zehn bis zwölf Espressi am Tag, nun, ganz schön viel Koffein, aber wenn Sie es gewohnt sind. Und wie steht es mit dem K-Wort? Aha, drei- bis viermal die Woche etwas Kokain. Nun, wenn die Qualität stimmt, ist dagegen aus ärztlicher Sicht nicht viel zu sagen, Ihr Alkoholkonsum schädigt Ihren Metabolismus entschieden mehr, wenn der Stoff von guter Qualität ist. Andere Drogen, Hasch, Ecstasy oder Ähnliches? Nicht, gut. Nehmen Sie sonst noch Medikamente, die ich Ihnen nicht verschrieben habe? Viagra, hm, hat sein Dafür und Dawider. Also«, sagte Moser und begann, seinen Rezeptblock voll zu schreiben: »Da nehmen wir mal für die Nacht Temazepam, für den Tag ein Equasym. Das ist wie Ritalin, dazu noch einen Betablocker, das bringt Ihr Beklemmungsgefühl in der Brust zum Verschwinden, und vielleicht Cipralex, ein fantastisches Antidepressivum, viel spezifischer als das Valium, das Sie im Moment nehmen. So, daraus besteht sozusagen Ihre Rüstung, mit der Sie bestens durch den Tag und durch die Nacht kommen werden. Als Notfallapotheke schreibe ich Ihnen noch einen Upper auf, wenn Sie mal plötzlich von null auf hundert kommen müssen, und einen Downer, wenn Sie ohne rauchende Reifen von hundert auf null abbremsen wollen. All das bitte nur genau nach Vorschrift einnehmen und unbedingt in der vorgeschriebenen Dosis und zur empfohlenen Tageszeit, ich gebe Ihnen auch an, ob vor, während oder nach einer Mahlzeit. Sollten Sie unerwünschte Nebenwirkungen verspüren, kontaktieren Sie mich sofort. Damit meistern Sie garantiert jede Challenge und fühlen sich als der Winnertyp, der Sie doch sind. Nichts zu danken, lassen Sie sich von meiner Assistentin dann noch einen Kontrolltermin geben.«
    Dr. Moser führte kurz die Patientenakte nach. Schon wieder einer, der auf Stufe drei angelangt ist. So fahrig, wie der wirkt, schafft er’s auch auf Stufe vier, da kriegt er dann noch den Cocktail aus Muskelentspannungsmittel, Paxil gegen Angstzustände und Prilosec nicht zu vergessen, weil das ganze Zeugs natürlich Sodbrennen verursacht. Und dann käme noch Stufe fünf, haben einige auch schon erreicht, Einlieferung in die Klinik. Aber dann ist es mit der Karriere und somit auch meiner Betreuung vorbei. Ist halt eine Steigerungsform, die immer beliebter wird: krank, kranker, Banker, lächelte er.

Dreiundvierzig
    Alfons Hinderli hatte sein erstes Jahr in Almaty überlebt. Den ersten braunstaubigen und heißen Sommer, den ersten graumatschigen und eisigen Winter. Er hatte überlebt, weil er auf Gott vertraute und die Ratschläge seines Bodyguards Josef. Wenn der bedenklich mit Kopf wackelte, dann trat Hinderli immer brav den Rückzug an, wo auch immer er sich befand. Wenn Josef sagte: »Kein Problem, das eine AK nicht lösen kann«, und auf seine Kalaschnikow klopfte, dann rollte Hinderli die Augen nach oben und setzte die

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